Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
unbezeichnete Kiste mit einem Kettenschloss.« Heinrich von Wallenstein-Dobrowitz gestattete sich ein mitleidiges Lächeln.
»Haben Sie hineingesehen?«
»Wir hatten nur den Schlüssel zur Eingangstür.«
»War sie schwer?«
»Wie ein Sarg.«
Lobkowicz starrte den jungen Mann an. »Welch ein geschmackloser Vergleich.«
Heinrich von Wallenstein-Dobrowitz breitete die Hände aus. »Ich bitte vielmals um Entschuldigung.«
»Ich will die Kiste sehen.« Lobkowicz drehte sich um und drückte dem Weihbischof die grüne Kapsel in die Hand. »Hier, Ehrwürden. Da Sie sich schon als einfacher Pfarrer verkleidet haben, können Sie auch die Taube auf den Weg schicken. Sie kennen ja den Weg zum Schlag.«
»Kann ich Ihnen sonst noch behilflich sein, Exzellenz?«, fragte Heinrich von Wallenstein-Dobrowitz.
Reichskanzler Lobkowicz schüttelte den Kopf. »Gott helfe uns allen«, sagte er. »Bringen Sie mich zu Ihren Männern, damit wir die verdammte Übergabe hinter uns bringen können.« Irritiert blickte er zum Fenster. »Und sorge in Gottes Namen endlich jemand dafür, dass der Lärm da draußen aufhört. Man könnte ja meinen, jemand sei aus dem Fenster gefallen!«
3
Der Pergamentfetzen hätte für jemanden, der mit dem Geheimen Archiv des Vatikans nichts zu tun hatte, keinerlei Bedeutung gehabt. Ein Mensch, der sich in den letzten Jahren allerdings mit nichts anderem beschäftigt hatte, als im Auftrag von Papst Paul V. eine komplette Umstrukturierung des Archivs vorzunehmen mit dem Ziel, es noch geheimer zu machen, erkannte sofort, was die Zahlenkolonnen bedeuteten: einen Archivierungsort.
Das handschriftliche Gekritzel hinter der Koordinate hätte jemand, der nicht den ganzen Tag von Traktaten, Erlassen und Bullen umgeben war, nicht unbedingt als eine Notiz von Papst Urban VII. erkannt, der im September 1590 überraschend nach einem extrem kurzen Pontifikat von zwölf Tagen verstorben war. Letzteres wäre nicht vollkommen ungewöhnlich gewesen, hätte es da nicht die Gerüchte und Ungereimtheiten gegeben, die sich mit dem Tod des Pontifex verbanden. Wie die Dinge standen, war das Ableben von Papst Urban immer noch ein offizielles Rätsel.
Der Text der kurzen Notiz wäre jemand anderem als Pater Filippo Caffarelli nicht ins Auge gestochen: Reverto meus fides ! Du hast mir den Glauben zurückgebracht!
Was hatte Papst Urban den Glauben zurückgebracht? Oder wer?
Und die viel wichtigere Frage: Würde es in seiner Macht stehen, auch Pater Filippo den Glauben zurückzugeben?
»Du bist nicht bei der Sache«, sagte die junge Frau und gab ihm einen spielerischen Nasenstüber.
»Entschuldigung«, sagte Pater Filippo und begann wieder zu stoßen. Es ließ sich nicht leugnen, dass sein Herz nicht bei seiner Tätigkeit war. Er spürte die Hände der jungen Frau, die die seinen umklammerten, und ahnte, dass seine Bewegungen schnell wieder erstorben wären, wenn sie nicht schon nachder letzten Mahnung die Initiative ergriffen hätte. Er hörte sie keuchen und sah in ihr verschwitztes Gesicht, ohne es wirklich zu sehen.
Wer sollte nicht den Glauben verlieren in einer Zeit wie dieser, in der ein katholischer Erzherzog sich mit protestantischen Ständen verbündete, um seinem Bruder die böhmische Königskrone abzunehmen, seit Jahrhunderten das Unterpfand für die Wahl zum nächsten Kaiser? Wer sollte nicht am Kaisertum an sich verzweifeln, wenn er überlegte, wie lange Kaiser Rudolf seine Würde getragen hatte, ein von jeder Religion abgefallener Ketzer, der widernatürliche Experimente in seinen geheimen Laboren trieb und Sterndeuter, Quacksalber und alchimistische Ketzer um sich versammelt hatte? Und wer sollte nicht an seiner Kirche irrewerden, wenn ihr oberster Hirte sich nicht um die Wiedervereinigung der gespaltenen Christenheit bemühte, sondern in seinen drei Hauptprojekten vollkommen aufging: dem Geheimen Archiv, dem Neubau der Fassade des Petersdoms und der Verteilung von Kirchenpfründen an seine Familie?
»Das führt zu nichts«, sagte die junge Frau und stellte ihre rhythmischen Bewegungen ein. Sie ließ die Hände sinken; beschämt rückte Filippo von ihr ab.
»Du denkst zu viel, Brüderchen«, sagte sie, schob das Butterfass in eine andere Position, umklammerte den Stampfer und begann, alleine zu stoßen. Filippo betrachtete seine Hände und schwieg. »Und es wird immer schlimmer mit dir.«
»Ich wollte dir wirklich helfen.«
»Hilf dir selbst, und sag mir, was du auf dem Herzen hast.«
»Hast du schon
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