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Die Wächter Edens

Die Wächter Edens

Titel: Die Wächter Edens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Bellem
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Ausgabe?«
    »Womit?«, entgegnete Tom. »Wir haben nur den Hinterkopf eines Mannes, keine Beweise.«
    »Aber das Video beweist, dass der Mann ermordet wurde!«, protestierte Arienne.
    Tom schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt. Der Blonde könnte die U-Bahn auch wieder verlassen haben, bevor der Penner starb.«
    »Aber warum sind sie dann beide gerannt?«
    Tom zuckte die Achseln. »Es regnete, vielleicht wollten sie dem Unwetter entgehen?«
    »Aber …«, begann Arienne, doch Tom unterbrach sie mit erhobener Hand.
    »Mädchen, ich glaube dir ja«, sagte er in beschwichtigendemTon. »Aber Ed wird mehr brauchen als das, um darin eine Story zu sehen.«
    »Aber du siehst eine?«
    Tom nickte. »Ich glaube, du bist da tatsächlich auf etwas gestoßen. Kannst du mir dein anderes Material zeigen?«
    Arienne zögerte einen Moment. Die Story war ihr Baby, sie arbeitete fast seit Beginn ihres Volontariats daran. Tom jetzt mit einzubeziehen gefiel ihr nicht. Andererseits hat er wirklich gute Ideen und ich kann von ihm lernen , dachte sie.
    Schließlich nickte sie.
    »Gut, ich sage Ed Bescheid, dass wir einer Sache nachgehen«, sagte Tom mit verschwörerischem Grinsen. »Mir wird er den Kopf dafür nicht abreißen.«
    Arienne hielt ihn am Arm zurück. »Du wirst mir die Story nicht wegnehmen, oder?«
    Tom lachte. »Falls – und ich meine wirklich für den unwahrscheinlichen Fall, dass – da eine Story dranhängt und sie am Ende nicht einfach im Sand verläuft, dann bin ich nur dein Ko-Autor, in Ordnung?«
    Sie nickte erst, legte dann aber den Kopf schief. »Warum hilfst du mir?«
    Tom zuckte mit den Schultern. »Ich hab die Bilder gesehen und an deiner Theorie könnte was dran sein … und es ist sicher spannender, als jede Woche über den gleichen Mist zu schreiben.«
    Arienne beschloss, es fürs Erste dabei zu belassen, und sie gingen gemeinsam zu ihrer Wohnung. Tom rief von unterwegs in der Redaktion an und teilte Ed in knappen Worten mit, dass Ari und er in einer Sache nachforschten und erst später ins Büro kommen würden.
    Er beendete das Gespräch, als sie Ariennes Wohnung erreichten.
    »Und? Was hat er gesagt?«, fragte sie neugierig.
    Tom lachte kurz, was mehr nach einem Husten klang. »Er hofft, dass ich mich nicht von dir habe bequatschen lassen.«
    »Also ahnt er was.«
    »Natürlich, er ist ja nicht dumm«, pflichtete Tom ihr bei. »Und du rennst ihm seit Wochen damit die Tür ein.«
    »So offensichtlich, ja?«
    Tom lächelte, und es lagen weder Sarkasmus noch Belustigung in diesem Lächeln … vielmehr eine väterliche Güte. »Du musst vor allem lernen, wie man eine große Story für sich behält.«
    »Aber ich dachte, unter Kollegen …«
    »… wird am meisten geklaut«, fiel er ihr ins Wort. »Man sollte erst dann über eine Sache sprechen, wenn man sich absolut sicher ist, dass man alle nötigen Fakten dafür zusammenhat.«
    »Das klingt irgendwie ziemlich verbittert«, warf sie beiläufig ein, doch Tom zuckte lediglich erneut die Achseln.
    Ariennes Wohnung lag im zweiten Stock des viergeschossigen Hauses, am Beginn eines langen Flurs. Betrat man ihre Wohnung, so fand man sich direkt im Wohnzimmer wieder, das an eine halb offene Küche grenzte.
    Toms Augen wanderten systematisch von einer Seite zur anderen, nahmen auf, analysierten, kartografierten und zeichneten vermutlich ein detailliertes Bild in seinem Kopf. Zumindest machte sein Gebaren diesen Eindruck auf die junge Frau. Sie dankte Gott im Stillen dafür, dass sie am Abend zuvor aufgeräumt hatte und keine getragene Unterwäsche die Couch oder den Fußboden verunzierte. In der Aufregung über die mögliche Story hatte sie nicht einen Gedanken an ihre Privatsphäre verschwendet, doch je länger Toms Blick umherschweifte, desto unbehaglicher fühlte sie sich auf einmal.
    Tom ging langsam hinüber zum Fenster und blickte auf die Weinberge, die sich östlich der Stadt entlangzogen. »Für eine Stadtwohnung ist die Aussicht gar nicht schlecht«, sagte er anerkennend.
    Arienne machte eine wegwerfende Handbewegung. »So oder so, es ist die einzige, die ich mir leisten kann.«
    Tom griff nach dem alten Aschenbecher ihres Vaters, der immer mittig auf dem Couchtisch stand. Er drehte den blauen Glasquader hin und her, ehe er ihn vorsichtig wieder zurück an seinen Platz stellte. »Ich wusste gar nicht, dass du rauchst«, murmelte er.
    »Er gehörte meinem Vater«, rechtfertigte sich Arienne. »Ich weiß auch nicht, wieso ich ihn behalte.«
    Tom nickte.

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