Die Wächter Edens
zeigen.«
»Und das soll ich wirklich glauben?«
»Es ist die Wahrheit«, versicherte Noriko.
Toni atmete tief durch. »Und wenn es stimmt, wo sind Gottes Boten heute? Warum tritt er heute nicht mehr an uns heran? Hat er uns aufgegeben?«
»Ganz und gar nicht«, widersprach Alfred. »Es wird nur heute immer schwerer, Gottes Diener zu erkennen. Ein Erleuchteter ahnt manchmal überhaupt nicht, dass er von Gott berührt wurde. Aber es gibt auch heute noch Menschen, die Gottes Plan im Herzen tragen«, versicherte Alfred. »Aber es stimmt, seine Stimme wird leiser oder die Nebengeräusche lauter, ich weiß es nicht. Die Menschen halten sich heute für so aufgeklärt, dass sie denken, ein Leben ohne Gott führen zu können. Doch sie irren sich.«
Toni nickte langsam, sortierte seine sich überschlagenden Gedanken. »Ist der Dalai Lama etwa einer dieser Propheten?«
Shane prustete vor Lachen. »Ganz falsche Adresse, Mann!«
Toni blickte ihn verwirrt an. Noriko und Alfred kicherten leise. »Was ist? Hab ich was Falsches gesagt? Der Mann scheint Gottes Wort in sich zu tragen.«
Shane blickte sich in der Runde um und vergewissertesich, dass er die Antwort geben durfte. »Sagen wir mal so: Vor langer Zeit hat der Dalai Lama für die andere Mannschaft gespielt.«
Toni schüttelte fragend den Kopf. »Welche Mannschaft?«
»Na ja, es gibt uns«, begann Shane, »die wir versuchen Gottes Schöpfung zu verteidigen, und dann gibt’s Luzifer und seine Jungs. Die Gegenmannschaft eben.«
Toni wollte schon zustimmend nicken, als ihm die Bedeutung klar wurde. »Warte! Der Dalai Lama? Aber er wirkt so friedlich?«
»Ist er ja auch«, sagte Noriko. »Er hat vor langer Zeit die Seiten gewechselt.«
»Das geht? Wie?«
»Indem man sich einfach entschließt, nicht länger für Luzifer zu kämpfen«, erklärte Alfred. »Seitdem lebt er in Tibet auf heiligem Boden im Asyl.«
»Stell es dir wie Schutzhaft vor«, lachte Shane.
»Aber er wird doch wiedergeboren?«, wunderte sich Toni.
»Na ja, eigentlich ergreift er nur von einem neuen Wirtskörper Besitz«, klärte Noriko ihn auf. »Wenn sein Wirtskörper stirbt, dann muss er rasch einen neuen finden. Deshalb suchen sie dann mit Hochdruck nach dem Goldenen Kind. In Wahrheit handelt es sich dabei um ein Gefäß. Es gibt Menschen, die werden ohne Seele geboren. Sie sind das perfekte Gefäß für den Dalai Lama, da er sie nicht gewaltsam übernehmen muss. Er ist also eigentlich ein friedliches Wesen.«
»Und vielleicht ist er sogar einer der Propheten, die wir suchen«, sagte Alfred mit verklärtem Blick.
»Ein Dämon?«, fragte Shane skeptisch.
Alfred zuckte die Achseln. »Warum nicht? Wie heißt es so schön? Gottes Wege sind unergründlich.«
Shane hob seine Tasse wie zu einem Trinkspruch. »Ich hoffe sogar, dass du recht hast. Dann könnten wir unseren Job an den Nagel hängen.«
Toni atmete tief durch. »Ist Vincent ein Engel? Der Dämon hat ihn so genannt.«
»Ja«, antwortete Alfred in ernstem Ton. »Er ist einer der vielen Diener unseres Herrn, die auf die Erde geschickt wurden, um den Kampf mit Luzifers Lakaien aufzunehmen.«
Toni wollte schon etwas erwidern, wollte sagen, wie verrückt das alles klang. Aber im Angesicht der Ereignisse der letzten Woche konnte er es nicht. Es klang verrückt, aber er wusste, dass es der Wahrheit entsprach.
Ein Detail des heutigen Abends kehrte in sein Bewusstsein zurück. »Als wir das Haus verließen, da glaubte ich, auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses eine Gestalt zu sehen.«
»Nathaniel«, sagte Alfred düster.
»Nathaniel? Wer ist das?«, hakte Toni nach.
»Ein Engel wie Vincent«, sagte Shane mit ungewohnt ernstem Ton.
»Warum hat er uns nicht geholfen?«
Shane und Alfred sahen sich schweigend an. Es war Noriko, die als Erste eine Erklärung fand. »So wie Dämonen sich für Gott entscheiden können, so können Engel sich von ihm abwenden wie einst Luzifer.«
»Dieser Nathaniel …?«
»Spielt für die Gegenmannschaft, ja«, vollendete Shane den Satz. »Und er ist verflucht gut, glaub mir das.«
»Was hat er vor? Ich meine, warum tut er das?«
Alfred seufzte tief. »Vincent ist überzeugt davon, dass Nathan die Tore der Hölle öffnen will, um Luzifer auf die Erde zu holen und Gott für immer aus dem Gedächtnis der Menschen zu verbannen.«
»Wahrscheinlich ist er der Grund dafür, dass es in letzter Zeit so viele Dämonen gibt«, fügte Noriko hinzu. »Er sucht etwas und anscheinend kommt er seinem Ziel
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