Die Wächter Edens
näher.«
»Wie können wir ihn aufhalten?«, fragte Toni.
Shane zuckte die Achseln. »Wir können da gar nichts tun. Du hast doch gesehen, wie Vincent den Dämon gebannt hat. Nur er kann es mit Nathan aufnehmen. Aber Gott stehe uns bei, falls er ihm nicht gewachsen sein sollte.«
»Und wie geht’s jetzt weiter?«, fragte Toni müde.
»Alfred wird uns jetzt die Beichte abnehmen und unsere Seelen erleichtern. Und morgen Abend fahren wir wieder in die Wohnung. Genauso wie neulich in die U-Bahn-Station.« Noriko lächelte ihn warmherzig an, was gemessen an ihrem sonst so ernsten Gesichtsausdruck schrecklich fehl am Platz wirkte.
Als wäre sie eine ganz andere Person , dachte Toni. Eine gutmütige junge Frau, die sich hinter der harten Maske der Unerbittlichkeit verbirgt.
»Also, was tun wir genau?«, fragte Toni. »Richten wir Ungläubige und Monster? Beschützen wir die Menschheit? Verteidigen wir den Himmel?«
Alfred lächelte ihn gutmütig an. »Wir bewahren Gottes Versprechen an die Menschheit.«
»Welches Versprechen?«
Wieder lächelte Alfred, und Toni konnte deutlich sehen, dass es aus tiefstem Herzen kam. »Den Garten Eden.«
Neun
A ls Arienne am Montagmorgen in die Redaktion kam, deutete der allgemeine Tumult bereits an, dass es kein gewöhnlicher Tag werden würde.
Tom fing sie ab, noch bevor sie sich an ihren Schreibtisch setzen konnte. »Es gab einen weiteren Mord«, sagte er und deutete auf ihren Mantel. »Lass den an, wir fahren gleich hin.«
»Weiß Ed davon?«
»Natürlich, was glaubst du, wer uns hinschickt?« Tom lachte, als er den wahren Grund ihrer Frage erkannte. »Er weiß nicht, dass wir für unsere Story daran interessiert sind. Er hält es bloß für einen weiteren Toten, über den wir berichten.«
Tom fuhr einen alten Kombi mit verschlissenen Ledersitzen. Die Holzarmaturen waren verblichen, doch vor fünfzehn Jahren hatten sie sicherlich edel geglänzt. Der Fußraum war übersät mit Krümeln und Sesamkörnern. Tom schien häufiger in dem Wagen zu essen. Arienne vergewisserte sich durch einen kurzen Blick auf die Rückbank, dass er nicht auch darin wohnte. Ein Haufen leerer Plastikflaschen starrte ihr entgegen.
»Die solltest du mal wegbringen, da ist Pfand drauf«, platzte es aus ihr heraus.
Tom schüttelte lachend den Kopf. »Noch nicht, ich sammle noch ein wenig.«
Arienne rollte die Augen. »Bist du einer von denen, die erst gehen, wenn es sich ›richtig lohnt‹?«
»Nein, ich bin nur faul«, lachte Tom. »Ich brauche dasPfandgeld nicht so dringend, also warte ich, bis es so viel ist, dass ich die Flaschen nicht mehr ignorieren kann.«
»Und dann machst du alles in einem Aufwasch«, vollendete Arienne den Gedanken.
Tom lachte und schaltete das Autoradio an. Arienne registrierte mit einem Schmunzeln, dass es noch Kassetten abspielte und keine CDs. Das Band sprang an und setzte seine Arbeit mitten im Song »Hurt« von Johnny Cash fort. Der Wagen glitt zu der leise gespielten Musik dahin, Tom war ein ruhiger Autofahrer. Wieder eine Überraschung , dachte Arienne, die ihn eher als cholerischen Verkehrsteilnehmer eingeschätzt hatte.
»Jetzt heißt’s Daumen drücken«, sagte Tom, als sie eine Weile unterwegs waren. »Wenn der Killer endlich einen Fehler gemacht hat, dann finden wir vielleicht eine Spur.«
»Und haben endlich eine Story, die wir Ed präsentieren können«, pflichtete Arienne bei.
Tom nickte und bog in eine Seitenstraße ein.
Arienne betrachtete die heruntergekommenen Wohnblöcke und schüttelte traurig den Kopf.
»Dagegen ist dein Wohnhaus ein richtiges Schmuckstück«, sagte Tom ernst. »Es ist eine verdammte Schande, dass die Stadt ein Viertel derart verfallen lässt.«
»So viele Menschen auf engem Raum«, sagte Arienne. »Denkst du, jemand hat etwas gesehen?«
Tom zuckte die Achseln. »Möglich. Auch wenn die Menschen hier eher für sich sein wollen. Hier leben viele gestrandete Gestalten. Und die interessieren sich meist nur für sich selbst.«
»Da magst du recht haben.« Als sie um die nächste Ecke bogen, sah Arienne bereits ihr Ziel. Die Polizeiwagen, das viele gelbe Absperrband und der Krankenwagen waren auch schwer zu übersehen. Sie beobachtete die umliegendenHäuserfronten. Toms Einschätzung war erstaunlich treffend. Weder auf der Straße noch an den Fenstern konnte sie viele Schaulustige ausmachen.
Er hielt zwanzig Meter vor der Absperrung. Ein kalter Wind pfiff durch die schmale Straße und biss Arienne ins Gesicht. Sie zog ihren
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