Die Wächter Edens
gab Steine, die tagsüber Wasser aus der Luft sogen und es nachts wieder absonderten. Doch an dieser Statue hatte man keinen Schwindel feststellen können. Und bevor der Vatikan sie konfiszieren konnte, hatte sie sich einen Flakon mit den Madonnentränen gefüllt.
Nun sprühte sie das Wasser in die Kerzenflammen und löschte sie.
Dann wartete sie einen Moment. Wird er den Weg zurückfinden? , fragte sie sich. Hat er überhaupt eine Seele, die den Weg zurückfinden könnte?
Plötzlich riss Nathan die Augen weit auf und starrte sie an.
Und zum zweiten Mal in dieser Nacht sah sie einen neuen Gesichtsausdruck an ihm.
Entsetzen.
Acht
W ährend der Heimfahrt sprach niemand von ihnen ein Wort. Tonis Blick haftete an Vincent. Immer wieder öffnete er den Mund, wollte eine der vielen brennenden Fragen formulieren, doch die Wörter kamen ihm einfach nicht über die Lippen.
Shane parkte den Van hinter der Kirche. Sie marschierten schweigend durch den kleinen Garten, den Alfred hingebungsvoll pflegte. Obwohl Toni sich sicher war, dass sie aus keinem der erleuchteten Fenster rundherum beobachtet wurden, blickte er sich mehrmals nervös um.
Alfred begrüßte sie am Seiteneingang, als hätte er die ganze Zeit dort auf sie gewartet. »Der Herr sei mit euch«, sagte er leise, und Toni fröstelte bei dem Gedanken, dass sie heute Nacht tatsächlich Gotteswerk verrichtet hatten.
»Nimm ihnen die Beichte ab«, sagte Vincent tonlos. Sein Gesicht glich wieder einer Maske, starr und ausdruckslos. Dann ließ er sie allein zurück und verschwand über die Treppe nach oben.
»Wer möchte seine Seele zuerst erleichtern?«, fragte Alfred mit traurigem Unterton.
»Ich finde, Toni sollte den Anfang machen«, sagte Shane nach kurzem Bedenken. »Er hat auch zuerst geschossen.«
Alfred nickte und wandte sich bereits dem Beichtstuhl zu, als Toni ihn zurückhielt. »Halt. Ich will ein paar Erklärungen.«
Shane schüttelte den Kopf. »Hast du es noch immer nicht begriffen?«
»Wir … Ich habe heute einen Mann getötet«, hielt Toni dagegen. »Ihr schuldet mir verdammt noch mal eine Erklärung!«
Shane seufzte, doch Noriko nickte zustimmend. »Einverstanden. Keine Ausflüchte mehr. Stell jede Frage, die dir auf dem Herzen liegt.«
»Wir sollten uns vielleicht setzen«, schlug Alfred vor. »Die Beichte kann ich euch auch in meinem Wohnzimmer abnehmen. Kommt.« Er ging zur Treppe und blickte sie auffordernd an.
Shane klopfte Toni auf die Schulter. »Kannst du es noch die fünfzehn Treppenstufen aushalten?«
»Sei bitte ein Mal ernst«, erwiderte Toni genervt.
Shanes Lächeln erstarb für einen kurzen Moment, nur um dann noch strahlender zurückzukehren. »Ich bin immer ernst, Antonio. Aber das Leben ist einfach zu kurz, um immer mürrisch zu sein.«
Alfreds Wohnbereich lag im ersten Stockwerk, die Schlafräume der Paladine befanden sich einen Stock höher. Eine Tür trennte Alfreds Wohnung vom Treppenhaus, sodass er sich wirklich völlig zurückziehen konnte. Hinter der Tür lag ein schmaler Flur wie auch im zweiten Stock. Nur gingen von ihm nicht mehrere kleine Zimmer, ein Bad und ein Gemeinschaftsraum ab, sondern lediglich Alfreds Schlafzimmer, eine Küche, ein Bad und ein geräumiges Wohnzimmer. Das Wohnzimmer wurde von einer Couchgarnitur dominiert, die in dunklem Grün und Eichenholz an den Schick eines längst vergangenen Jahrzehnts erinnerte. Aber die Möbel waren gut in Schuss, offensichtlich behandelte Alfred die Möbel so pfleglich wie seinen Garten.
Alfred setzte sich in einen bequem anmutenden Ohrensessel und bedeutete ihnen, sich auf die beiden Sofaszu verteilen. Bevor Toni seine erste Frage stellen konnte, sprang Alfred jedoch wieder auf, murmelte etwas von »Tee« und verschwand in der Küche. Dort hantierte er mit dem Geschirr, Schranktüren wurden geöffnet und geschlossen, Löffel klapperten, als er sie in die Tassen stellte – und schließlich konnte man deutlich den Wasserkocher hören.
Wenig später tauchte Alfred mit einem Tablett wieder auf. Er verteilte vier Tassen, ein Schälchen mit braunem Zucker und ein Schüsselchen, in dem Beutel mit verschiedenen Teesorten lagen, auf dem Tisch. »Greift zu«, sagte er lächelnd. Es war offensichtlich, dass er nicht häufig Gäste empfing und ihr Gespräch eine willkommene Abwechslung zu seiner übrigen Abendgestaltung darstellte. Er selbst griff nach einem Beutelchen Chai und tauchte ihn ins heiße Wasser.
Toni tat es ihm gleich. Für einige Augenblicke waren sie
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