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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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seiner Männer ebenso gut kannte wie sich selbst. Er würde Yussuf sofort durchschauen . »Sieh Ibrahim fest in die Augen. Auf gar keinen Fall darfst du Omar ansehen!«
    Noch vier. Noch vier Betten waren die beiden Offiziere von Yussuf entfernt. Hassan war jetzt an der Reihe. Aus dem Augenwinkel sah Rashid, wie der Meister der Suppenschüssel mit einem Griff die Laken von Hassans Bett riss und mit einem Stock auf die Matratze schlug, als wollte er Ungeziefer daraus vertreiben. Dann musste Hassan seine Kiste unter dem Bett hervorziehen und jeden einzelnen Gegenstand auspacken – seine Kleidung, sein Rasierzeug, alles. Ibrahim begutachtete alles, dann nickte er und ging weiter zu Hassans Zwillingsbruder . Noch drei Betten.
    Der Klang der Stimme des Muezzin ließ Rashid zusammenzucken . Es war der Aufruf zum Mittagsgebet. Omar warf Ibrahim einen fragenden Blick zu, und Ibrahim nickte.
    »Los!« Omars laute Stimme hallte durch den Saal, der bis dahin fast völlig still gewesen war. »Ihr dürft jetzt beten. Danach wird die Inspektion fortgesetzt.«
    Sie rollten ihre Gebetsteppiche aus und wandten sich gen Mekka, der Geburtsstadt des Propheten und dem Ort der ersten göttlichen Offenbarung. Rashid war erleichtert, nicht nur, weil die Bewegung den Gliedern nach dem stundenlangen Ausharren in derselben Körperhaltung unendlich gut tat, es gab ihm auch weitere Zeit zum Nachdenken. Was suchten Ibrahim und Omar bei ihnen? Wussten sie wirklich von den beiden Mädchen? Und wenn sie nicht wegen Yussuf kamen, was suchten Ibrahim und Omar dann? Hatten sie ihn beobachtet , wie er in der Nacht die Kaserne verlassen hatte, um zu Anne zu gehen?
    Rashid atmete tief ein und hob die Hände, während er im Chor mit den anderen das Gebet sprach. Nein, das war unwahrscheinlich . Er war sehr vorsichtig gewesen. Außerdem würde Ibrahim nicht alle Kameraden antreten lassen, wenn er ihn in Verdacht hatte. Nein, was auch immer die beiden suchten , sie schienen weder zu wissen, wonach sie suchten, noch bei wem sie es finden würden. Das erinnerte Rashid an ihre vergebliche Suche nach dem christlichen Prediger. War es das? Suchten Ibrahim und Omar nach einem Beweis, dass es in den Reihen der Janitscharen einen Verräter gab, einen Mann, der den Prediger deckte und Hinweise auf seinen Aufenthaltsort verschwinden ließ?
    Das Gebet war beendet. Sie erhoben sich, rollten ihre Teppiche zusammen und nahmen wieder ihre Positionen ein. Die Inspektion ging weiter, der Nächste kam an die Reihe.
    Rashid warf Yussuf einen verstohlenen Blick zu. Das Gebet schien ihm gut getan zu haben. Er wirkte ruhiger. Sein Gesicht zuckte nicht mehr so nervös, und auf seiner Stirn standen auch keine Schweißperlen mehr. Allah sei Dank, jetzt konnte man ihm wenigstens das schlechte Gewissen nicht mehr vom Gesicht ablesen.
    Ibrahim und Omar gingen weiter zum Nächsten. Laken wurden vom Bett gerissen, und Ali, der neben Yussuf schlief, zog gehorsam seine Kiste hervor und breitete den Inhalt auf seinem Bett aus. Ibrahim ließ einen Blick über Alis Habseligkeiten gleiten, dann nickte er und ging weiter zu Yussuf. Rashid hielt den Atem an.
    Doch Ibrahim und Omar schienen es nicht auf seinen Freund abgesehen zu haben. Yussuf musste nicht einmal den Inhalt seiner Kiste auf das Bett legen. Ibrahim klappte lediglich den Deckel hoch und warf einen flüchtigen Blick hinein. Es hatte den Anschein, als wäre er von der ganzen Prozedur bereits gelangweilt. Vielleicht hatte er aber auch nur Hunger. Aus dem Augenwinkel sah Rashid, wie Yussuf erleichtert aufatmete. Dann war er selbst an der Reihe.
    »Rashid!«
    Weshalb Ibrahim, der zuweilen sogar die Namen der Kochmeister durcheinander brachte, sich ausgerechnet immer an seinen erinnerte, war Rashid ein Rätsel. Aber er wusste aus Erfahrung , dass es nichts Gutes zu bedeuten hatte.
    Ibrahim stand vor ihm und lächelte, als würde er sich freuen , ihn zu sehen. Doch Rashid ließ sich nicht täuschen.
    Immer noch lächelnd begann der Meister der Suppenschüssel Rashids Bett zu durchsuchen. Er riss die Laken herunter und warf sie auf den Boden. Er riss das Kopfkissen auseinander und stocherte so lange in der Matratze herum, bis das Stroh zu allen Seiten herausflog und den Boden bedeckte. Und es war keine Frage, wer die Matratze neu stopfen würde.
    Warum ich? Warum bin immer ich es?, dachte Rashid und biss die Zähne aufeinander. Wie in einem über dem Feuer hängenden Kessel begann sein Inneres zu brodeln. Omar warf ihm einen warnenden

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