Die Wächter von Jerusalem
er.
»Natürlich gefällt mir der Gedanke nicht, dass ausgerechnet meine Köchin eine der Anhängerinnen dieses Predigers sein soll«, sagte er schließlich. »Aber wesentlich beunruhigender , als dass Elisabeth Giacomos Hetzreden verfallen sein könnte, finde ich den Gedanken, was sie ihm über uns erzählen könnte. Wenn er erfährt, dass sie in diesem Haus ein und aus geht, dann …« Er schüttelte den Kopf. Er fühlte sich, als hielte eine eiskalte Hand seinen Nacken umklammert. »Aber wir müssen alles von der positiven Seite sehen und versuchen das Beste aus unserem Wissen zu machen. Lieber ein Feind unter dem eigenen Dach, den man kennt, als einen unbekannten Feind, der einem irgendwo draußen im Dunkeln auf der Straße auflauert.« Er stieß die Luft zwischen den Zähnen aus. »Ob Elisabeth nun schuldig ist oder nicht, ob sie zu Giacomos Anhängern gehört oder nicht, es bleibt nur ein Weg, das herauszufinden . Wir müssen sie beobachten, ihr folgen. Ich weiß nur nicht, wie.« Sein Blick schweifte durch den Raum und blieb schließlich an Anselmo haften. Ja, das war das Beste. Anselmo konnte es schaffen.
»Ich?«, fragte Anselmo. »Was soll ich denn tun?« Dann wurde er blass, und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als er begriff. »Ihr meint doch nicht etwa, dass ich … Ich soll diese …« Er runzelte zweifelnd die Stirn. »Das ist nicht Euer Ernst, Vater. Das könnt Ihr nicht ernst meinen. Das ist ein ziemlich übler Scherz, über den ich nicht lachen kann, Vater. Vater?« Seine Stimme wurde unsicher. Dann schluckte er, und auch der letzte Rest von Farbe wich aus seinen Wangen. »Ihr meint es ernst. Ihr wollt wirklich von mir verlangen, dass ich …«
»Ich verlange gar nichts von dir, Anselmo«, sagte Cosimo sanft. Er konnte ermessen, welches Opfer Anselmo bringen musste. »Allerdings bin ich überzeugt davon, dass du der am besten geeignete Mann für diese Aufgabe wärst. Ich erinnere mich da zum Beispiel an Giacomos Magd. Nur mit deiner Hilfe ist es uns schließlich gelungen, herauszufinden, auf welche Weise Giacomo Giovanna vergiftet hat.«
Anselmo sprang auf, seine Augen funkelten wie glühende Kohlen.
»Ja, natürlich, aber das war doch etwas anderes!« Seine Stimme bebte vor Zorn und Entrüstung. »Die Magd war zwar wahrlich nicht hübsch, aber sie war wenigstens jung. Elisabeth hingegen ist …« Hilflos nach Worten suchend brach er ab. »Ihr könnt nicht von mir verlangen, dass ich mich mit dieser fetten Kröte einlasse, mich von ihren feuchten, glitschigen Wurstfingern …« Er brach erneut ab und starrte angewidert auf seine Hände. Dann schüttelte er heftig den Kopf. »Nein, nein, das tue ich nicht. Bei aller Liebe und Freundschaft und Treue, das geht zu weit!«
»Ich weiß, welche Überwindung dich das kosten muss, Anselmo, aber wir haben jetzt nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir warten darauf, dass Elisabeth Giacomo alles über uns erzählt und er von selbst zu uns kommt, oder wir nutzen den einzigen Vorteil, den wir zur Zeit haben – Elisabeths Schwäche für dich. Du weißt ebenso gut wie ich, dass die Zeit drängt.«
Anselmo erwiderte nichts, sondern lief stattdessen wütend im Zimmer auf und ab und schimpfte vor sich hin. Cosimo war froh, dass Rashid kein Italienisch verstand, denn manche seiner Flüche waren so derb, dass sie sogar ihm fast die Schamesröte in die Wangen trieben. Nach einer Weile blieb Anselmo mitten im Zimmer stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte Cosimo finster an.
»Und es gibt wirklich keine andere Möglichkeit?«
Cosimo schüttelte den Kopf. »Zur Zeit sehe ich keine. Für Rashid wäre es zu gefährlich, außerdem würde Elisabeth ihn kaum akzeptieren, weil er ein Moslem ist. Und ich …« Er lachte auf. »Auch wenn ich mich angesichts dessen, was wir erreichen wollen, überwinden würde, wäre wohl nicht einmal Elisabeth dumm genug, um keinen Argwohn zu schöpfen, wenn ich als Hausherr plötzlich mit der nicht besonders attraktiven Köchin anbändle. Zu dir jedoch fühlt sie sich – ob es dir nun gefällt oder nicht – seit eh und je hingezogen. Sie mag dich, Anselmo. Vielleicht hast du Glück, und es sind nur mütterliche Instinkte, die sie dir entgegenbringt.«
Anselmo schüttelte sich voller Abscheu, holte tief Luft, fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und legte den Kopf in den Nacken.
»Madonna!« Er starrte zur Decke, als hoffte er dort oben eine Lösung für sein Dilemma zu finden. »Gut, ich tu es«, sagte er
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