Die Wächter von Jerusalem
schließlich. »Aber eines muss euch allen klar sein, ich tu es wahrlich nicht gerne.«
»Ich weiß«, entgegnete Cosimo, »und ich kann dich verstehen .«
»Das tröstet mich wirklich, das könnt Ihr mir glauben «, murmelte Anselmo und ließ sich wieder auf sein Sitzpolster fallen. Er machte ein derart finsteres Gesicht, dass es zum Lachen reizte. Doch das Lachen blieb Cosimo in der Kehle stecken. Er konnte Anselmo sehr gut verstehen. Seine Aufgabe war weder einfach noch angenehm. Auch Rashid bedachte Anselmo mit einem mitleidigen, schuldbewussten Blick.
»Ich muss gehen«, sagte er und erhob sich. »Ich sollte nicht zu lange fortbleiben, sonst schöpft noch einer meiner Kameraden Verdacht.«
Cosimo erhob sich ebenfalls.
»Ich danke Euch für Eure Hilfe, mein Freund.« Er ergriff Rashids Hand. »Wie ich Euch schon mal sagte, sind wir Giacomos Spur bereits durch die halbe Welt gefolgt. Bislang hatten wir kein Glück. Deshalb hoffe ich von ganzem Herzen, dass …«
Rashid drückte Cosimos Hand. »Ich gebe Euch mein Wort darauf, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht. Ich werde mich auch unter meinen Kameraden umhören. Wir werden immer wieder zu Durchsuchungen von christlichen Häusern geschickt, um eine Spur des Predigers zu finden . Sobald ich etwas Neues erfahre, werde ich Euch davon in Kenntnis setzen. Und natürlich werde ich Euren Namen heraushalten. Gemeinsam werden wir dem Treiben dieses Mannes ein Ende setzen, darauf könnt Ihr Euch verlassen, Cosimo de Medici.«
Rashid lächelte zuversichtlich. Cosimo erwiderte das Lächeln und klopfte ihm auf die Schulter, doch in Wahrheit teilte er den Optimismus des Janitscharen nicht. Rashid kannte Giacomo nicht. Er wusste nicht, wie gerissen er war. Und wahrscheinlich konnte er nicht einmal in seinen kühnsten Träumen ermessen, welche Gefahr Giacomo de Pazzi wirklich darstellte.
»Aber Ihr habt Recht, Ihr solltet jetzt wirklich gehen. Es wird unserer Sache kaum dienlich sein, wenn Ihr eingesperrt werdet, nur weil Ihr nach dem Zapfenstreich noch nicht in der Kaserne seid. Meine Cousine wird Euch zum Tor begleiten.«
Als Rashid auf die Straße hinaustrat, war er entsetzt, wie spät es schon geworden war. Auf den Straßen war es dunkel, und einige der Fackeln waren bereits heruntergebrannt. Ohne dass er sich dessen bewusst geworden war, hatte er sehr viel mehr Zeit in Cosimo de Medicis Haus verbracht, als er beabsichtigt hatte. Der Zapfenstreich war zwar noch nicht vorüber, aber wahrscheinlich waren die Kameraden jetzt alle damit beschäftigt , sich in den Waschräumen vom Staub des Tages zu reinigen , und seine Abwesenheit würde nicht mehr lange unbemerkt bleiben.
Dennoch fühlte er sich beschwingt. So musste es jemandem gehen, der berauschende Getränke zu sich genommen hatte. Er schien zu fliegen.
Während er durch die dunklen, menschenleeren Straßen zur Kaserne eilte, sah er Annes Gesicht vor sich. Auf seinen Lippen spürte er immer noch ihren Kuss, roch den Duft ihrer Haut und fühlte ihr seidiges Haar zwischen seinen Fingern. Bei Allah, wie sehr liebte er diese Frau! Er wollte den Rest seines Lebens mit ihr verbringen, mit ihr Kinder zeugen und sie aufwachsen sehen. Natürlich musste er dafür die Janitscharen verlassen, das war klar. Auch wenn er mit Anne noch nicht darüber gesprochen hatte, sein Entschluss stand bereits fest. Gleich morgen früh würde er mit dem Kochmeister sprechen und ihm seine Lage schildern. Dann würde er sich an den Meister der Suppenschüssel wenden. Das Gespräch mit ihm bereitete Rashid die größte Sorge. Ibrahim würde ihn gewiss nicht ohne weiteres von seinen Gelübden entbinden und gehen lassen. Vielleicht würde er ihn sogar für unbestimmte Zeit in den Kerker werfen, nur um seine Standhaftigkeit zu prüfen. Aber Ibrahim war unberechenbar. Vielleicht würde er ihn auch unehrenhaft aus den Reihen der Janitscharen entlassen, froh darüber, dass er ihn fortan nicht mehr zu sehen brauchte. Morgen würde er es wissen.
Allah, betete Rashid, während er sich der Kaserne näherte, ich liebe Anne mit der ganzen Kraft meines Herzens, und ich lege mein Schicksal in Deine Hand.
Vor ihm, am Ende der Straße, tauchten bereits die Wachtürme der Kaserne auf. Rashid versuchte sich daran zu erinnern , wer heute Nacht Dienst am Tor hatte. War es jemand, den er kannte, mit dem er sogar befreundet war und der ihn ohne eine Erklärung zu fordern heimlich einlassen würde? Oder sollte er lieber gleich den Weg über die
Weitere Kostenlose Bücher