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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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sie nicht festgehalten hätte.
    »Ruhe!«, zischte er ihr ins Ohr. »Habt vertrauen. Cosimo weiß, was er tut. Wenn Ihr jetzt eine Dummheit begeht, wird der Statthalter wieder verschwinden, bevor wir wissen, wo und aus welchem Grund er Rashid gefangen hält. Habt Ihr das begriffen?«
    Anne blickte Anselmo an. Trotz der Dunkelheit konnte sie deutlich seine vor Zorn funkelnden Augen sehen. Sie wusste, dass er Recht hatte. Dennoch fiel es ihr schwer, sich auch daran zu halten.
    »Also, was ist?«, flüsterte er. »Wollt Ihr jetzt vernünftig sein, oder soll ich Euch zur Strafe für Eure Halsstarrigkeit fesseln und knebeln?«
    Anne schluckte. Anselmo meinte es ohne Zweifel ernst. Dann nickte sie.
    »Gut.« Und mit grimmigem Gesicht presste Anselmo ein Auge wieder gegen das Loch in der Tür.
    »… geringfügig«, sagte Cosimo gerade.
    »Worüber sprechen die?«, fragte Anne Anselmo. Sie ärgerte sich, dass sie einen Teil des Gesprächs verpasst hatte. Doch er warf ihr nur einen finsteren Blick zu und legte abermals den Finger auf die Lippen.
    »Ibrahim ist der Meister der Suppenschüssel. Das bedeutet, dass alle Janitscharen hier in Jerusalem seinem Befehl unterstehen . Und dann gibt es noch die Kochmeister, Offiziere, die kleinere Einheiten von etwa fünfzig Mann befehligen. Rashid hat nun – so behauptet er wenigstens – in der Nacht vor drei Tagen ein Gespräch zwischen Ibrahim und einem der Kochmeister belauscht, in dem es um nichts Geringeres als meine Ermordung und die Ergreifung der Macht über Jerusalem durch die Janitscharen ging.«
    Cosimo hob eine Augenbraue. »Aber Ihr glaubt Rashid nicht? Ihr seid der Ansicht, er hätte Euch angelogen?«
    Der Statthalter seufzte. »Ich kann Euch versichern, dass es nichts gibt, was ich mir mehr wünschte. Aber ich habe allen Grund, ihm zu glauben. Leider. Denn er hat nur das bestätigt, was ich bereits seit einiger Zeit vermute. Die Janitscharen sind in dieser Stadt zu mächtig geworden. Sie sind mittlerweile mehr als nur die Wächter von Jerusalem. Sie sind eine eigenständige politische Kraft, die Jerusalem als ihr Eigentum betrachtet und ihre eigenen Ziele verfolgt. In der Vergangenheit haben wir ihnen sehr viele Rechte und Privilegien eingeräumt. Wir haben uns darauf verlassen, dass sie zu jeder Zeit dem Sultan bedingungslos ergeben sind und seinen Willen respektieren. Nun sieht es so aus, als hätten wir uns getäuscht.« Der Statthalter trank einen Schluck Wasser , verschluckte sich und hustete. »Ich habe in aller Heimlichkeit Nachforschungen über die Janitscharen anstellen lassen. Dabei sind uns einige Unregelmäßigkeiten aufgefallen . Dazu müsst Ihr wissen, dass die Janitscharen sich weitgehend selbst versorgen. Sie fordern zwar bei mir ihren Bedarf an Grundnahrungsmitteln, Erz und Wolle an, aber sie stellen ihre Waffen, ihre Kleidung und das meiste, was sie sonst noch brauchen, selbst her. Jetzt ist uns aufgefallen, dass seit etwa zwei Jahren ihr Bedarf an Erz im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen ist, wie wir mehreren Schreiben und Bestellungen entnehmen konnten. Außerdem haben sie seit zwei Jahren nicht nur einen, sondern zwei Waffenschmiede beschäftigt. Dabei gab es hier in Jerusalem in der ganzen Zeit weder Aufstände, noch hat sich die Zahl der Janitscharen erhöht. In den vergangenen drei Monaten scheint auch der Verbrauch an Getreide, Mehl und Linsen sprunghaft zugenommen zu haben. Und das lässt eigentlich nur einen Schluss zu.«
    Cosimo nickte langsam. »Ihr glaubt, dass die Janitscharen ihre Rüstungs- und Kornkammern füllen, um sich auf eine Belagerung oder einen Kampf vorzubereiten.«
    »Richtig. Es liegen aber aus Istanbul keine derartigen Befehle vor. Zum Glück herrscht derzeit Frieden im Reich – Allah sei gepriesen. Selbst die räuberischen Beduinen, die Jerusalem gelegentlich heimsuchten, haben sich in den vergangenen Jahren sehr ruhig verhalten. Seit die Stadtmauer erneuert wurde, hat die Zahl ihrer Überfälle stark abgenommen. Gut, wir haben zur Zeit diesen christlichen Prediger am Hals, diesen Pater Giacomo oder wie er sich auch immer nennen mag. Er scheint, so lauten wenigstens meine Informationen, nichts Geringeres als einen neuen Kreuzzug zu planen. Aber erstens klingen diese Ankündigungen eher nach den ausschweifenden Fantasien eines Verrückten, und zweitens können die Janitscharen kaum schon vor zwei Jahren von seinem Auftauchen in der Stadt gewusst haben.«
    »Da habt Ihr Recht. Aber eines verstehe ich immer noch

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