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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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fünfunddreißig.
    »Wir sollten für heute Schluss machen«, sagte Cosimo und streckte seinen Rücken. »Es hat keinen Sinn, uns jetzt noch weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Wir sollten uns ablenken. Wer weiß, vielleicht kommt einem von uns ganz von selbst der rettende Gedanke.«
    Anne schüttelte nachdenklich den Kopf. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie wirklich so blind waren, dass sie die Botschaft nicht entschlüsseln konnten. Wo hier in Jerusalem hatte Pater Joseph das Pergament aus dem Fluch des Merlin gefunden?
    »Ich würde den Brief gern Rashid zeigen«, sagte sie und versuchte Anselmos Grimasse ebenso zu ignorieren wie ihre aufkeimende Sorge. Es war mittlerweile drei Tage her, seit sie zuletzt von Rashid gehört hatte. »Er ist völlig unbefangen. Vielleicht hat er eine Idee.«
    »Das ist kein schlechter Gedanke. Ich wüsste nicht, weshalb wir ihn nicht auch in dieser Angelegenheit um Hilfe bitten sollten.«
    Anselmo schnaubte verächtlich, hielt aber den Mund, nachdem Cosimo ihm einen strengen Blick zugeworfen hatte.
    Cosimo hatte das Pergament gerade zusammengerollt und mit seiner Kartusche wieder im Geheimfach versteckt, als es an der Tür klopfte. Es war Mahmud.
    »Herr, verzeiht die späte Störung. Ein Herr, wohl ein jüdischer Kaufmann, wünscht Euch zu sprechen.«
    »Jetzt?« Cosimo runzelte unwillig die Stirn. »Muss das sein? Sag ihm, er soll morgen wiederkommen. Ich bin jetzt zu müde, um noch Gäste zu empfangen.«
    »Das habe ich ihm schon gesagt, Herr«, erwiderte Mahmud . »Aber er bestand darauf, zu Euch vorgelassen zu werden . Heute noch. Er meinte, es sei von größter Wichtigkeit.«
    »Hat er seinen Namen genannt?«
    Mahmud schüttelte den Kopf. »Nein, Herr. Aber er will unbedingt mit Euch sprechen. Jetzt. Ach ja, und Ihr sollt allein sein, Herr.«
    Cosimo stöhnte auf und rieb sich die Nasenwurzel, als hätte er Kopfschmerzen. »Fast noch mehr als späte ungebetene Besucher liebe ich Besucher, die meinem Torhüter ihren Namen verschweigen.« Er schüttelte den Kopf. »Nun gut, Mahmud, herein mit diesem ungebetenen unbekannten Gast.«
    »Ihr wollt diesen Mann wirklich empfangen?«, fragte Anselmo , kaum dass Mahmud verschwunden war. »Und noch dazu allein? Wenn es nun eine Falle ist? Bedenkt, sogar Giacomo könnte sich hinter der Maske eines jüdischen Kaufmannes verbergen, um Euch zu täuschen.«
    »Mein lieber Anselmo, glaube mir, auch ich habe diese Möglichkeit bereits in Erwägung gezogen. Deshalb werdet ihr zwei euch in der Geheimkammer verstecken und von dort aus auf mich Acht geben.«
    Cosimo ging bei diesen Worten zum Kamin. Anne konnte nicht sehen, was er genau tat, welchen Hebel er in Bewegung setzte, aber gleich darauf glitt mit einem leisen Scharren ein schmales Stück der Wand neben dem Kamin zur Seite. Er verneigte sich vor Anne mit einem spöttischen Lächeln und deutete in die Finsternis.
    »Darf ich bitten, Gnädigste? Dieses Haus hat zwar weitaus angenehmere Gemächer zu bieten, doch werdet Ihr von dort jedes Wort mithören können, das in diesem Raum gesprochen wird. Und nun macht endlich, dass ihr zwei da hineinkommt. Mahmud mag wohl langsam sein, aber er wird dennoch jeden Augenblick hier auftauchen.«
    Er schob Anne und Anselmo unsanft vorwärts und schloss dann die Geheimtür hinter ihnen. Anne schauderte. Die Kammer war eng, staubig und muffig. Ihr Fuß stieß an einen Gegenstand , und es klirrte metallisch. Wahrscheinlich war es ein Säbel oder ein Schwert oder eine andere Waffe, die hier zu Cosimos Schutz aufbewahrt wurde. Ein wenig ängstlich hielt sie sich dicht neben Anselmo. Nur nicht die Wände berühren. Wenn irgendwo Spinnen in der Finsternis auf Beute lauerten, dann bestimmt zwischen dem losen Mörtel und den Ziegeln. Und sie wollte sich gar nicht erst vorstellen, wie groß die Biester in einem Raum werden konnten, in dem sie die uneingeschränkten Herrscher waren.
    Es dauerte eine Weile, bis sich Annes Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und sie erkannte, dass es hier gar nicht so finster war. Durch zwei etwa fingerdicke Löcher in der Geheimtür genau in Augenhöhe fiel etwas Licht aus der Bibliothek herein. Und in diesem schwachen Lichtschein konnte sie erkennen, dass Anselmo sich gegen die Tür lehnte und durch eines der beiden Löcher spähte. Anne konnte hören, wie sich in diesem Augenblick die Tür der Bibliothek öffnete und Cosimo jemanden begrüßte.
    »Tatsächlich«, flüsterte Anselmo, »es ist ein jüdischer

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