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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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Blutstropfen.«
    »Amen!« – »Amen!« – »Amen!«
    Anselmo wurde übel. Ob wohl außer ihm einer der hier Anwesenden begriffen hatte, dass Giacomo kein Wortgefecht zu führen gedachte, sondern dass er einen Krieg im Sinn hatte? Und zwar hier, mitten in der Stadt, Mann gegen Mann, Nachbar gegen Nachbar. Aber womit wollte er kämpfen? Anselmo sah sich verstohlen nach allen Seiten um. Die meisten Anhänger Giacomos schienen einfache Leute zu sein – Arbeiter, Diener , Handwerker. Sie trugen schlichte, zum Teil mehrfach geflickte Kleidung, und mancher von ihnen sah aus, als hätte er sich schon lange nicht mehr richtig satt essen können. Woher sollten diese Leute das Geld nehmen, um sich die Waffen zu beschaffen, die sie für diesen Kreuzzug brauchen würden?
    »Ich habe heute die Botschaft empfangen, auf die ich, nein, was sage ich, wir alle schon lange gewartet haben.« Giacomo blickte sich triumphierend um, und Anselmo war froh, dass er sich zwischen den anderen Gesichtern verstecken konnte. Wenn er jetzt von Giacomo entdeckt und erkannt werden würde, würde ihn die versammelte Menschenmenge vermutlich in Stücke reißen. »Wie ihr wisst, habe ich schon vor einiger Zeit das Versprechen erhalten, dass der Herr selbst uns das nötige Werkzeug für diesen Kreuzzug geben wird. Heute nun wurde mir endlich der Ort genannt, an dem wir alles finden werden, was wir brauchen. Jubelt, Brüder und Schwestern, denn wir sind die Streitmacht des Herrn! Und wir werden siegen!«
    Alle brachen in laute Halleluja- und Amen-Rufe aus, dass es von den Felswänden nur so widerhallte. Anselmo wurde schwindlig. Ihm war angesichts der um ihn herum herrschenden Begeisterung so übel, dass er es nicht mehr ertragen konnte. Er musste hier raus. Jetzt. Und so schnell wie möglich.
    Langsam ging er einen Schritt zurück, dann wieder einen und noch einen. Die Männer und Frauen hinter ihm schienen ihn in ihrem Freudentaumel, der schon fast an Ekstase grenzte, gar nicht zu bemerken. Im Gegenteil, sie schienen froh zu sein, dass sie um einen Platz weiter nach vorn rücken konnten. Auch Elisabeth lauschte so verzückt den Reden des Paters und jubelte so ausgelassen, dass sie nicht zu bemerken schien, dass Anselmo nicht mehr an ihrer Seite war.
    »Wir sollten dem Herrn jetzt danken und Ihn darum bitten, dass Er uns auch auf unserem weiteren Weg die Kraft geben möge, Seinen Willen zu befolgen.«
    Giacomos Worte klangen hinter Anselmo her. Mochten sich die anderen doch von diesen Worten angezogen fühlen, mochten sie sich betäuben lassen von den hochfliegenden Visionen eines Wahnsinnigen. Ihn hingegen trieben sie hinaus, als würde jemand mit einer Peitsche hinter ihm stehen.
    Die versammelte Gemeinde begann gerade mit gesenkten Häuptern das Vaterunser zu beten, als Anselmo die Stufen erreicht hatte. Auch hier standen jetzt viele Menschen, und er musste sich Stück für Stück an ihnen vorbei emporarbeiten. Es ging langsam. Viel zu langsam, denn Pater Giacomos Stimme dröhnte weiter durch die Höhle, versprühte ihr Gift, versprach den Treuen reichen Lohn und den Untreuen nicht weniger als die Feuer der Hölle und die ewige Verdammnis. Und dann hatte Anselmo es endlich geschafft. Er war oben angekommen. Jetzt brauchte er nur noch den Weg zum Ausgang zu finden.
    Er nahm sich eine der im Gang herumliegenden Fackeln, ohne dass es jemand bemerkte. Niemand achtete auf ihn. Selbst jene, die keinen Platz mehr unten in der Höhle bekommen hatten und deshalb von hier oben aus dem Schauspiel folgen mussten, schienen ihn nicht zu bemerken. Sie waren versunken ins Gebet und in Giacomos Worte, die auf sie die Wirkung berauschender Kräuter zu haben schienen.
    Hastig entfernte er sich. Jetzt kam ihm sein Orientierungssinn und sein ausgezeichnetes Gedächtnis zugute, andernfalls hätte er die geheimen Zeichen bestimmt nicht wiedergefunden und sich im Labyrinth der Gänge und Stollen hoffnungslos verirrt. Dann war er endlich draußen auf der Straße, und die Luke hinter ihm war geschlossen.
    Er riss sich die Kapuze vom Kopf und sog gierig die klare , kühle Luft ein. Er fühlte sich, als hätte er die ganze Zeit über die Luft angehalten oder nur dicken schwarzen, giftigen Qualm eingeatmet. Er legte den Kopf in den Nacken und sah über sich die Sterne. Sie waren schön in ihrer Unschuld und in ihrer Unnahbarkeit. Schließlich konnten sie weder sehen noch hören, was tief unter der Erde gerade in diesem Augenblick geschah , welche teuflischen Pläne dort

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