Die Wächter von Jerusalem
kein angenehmer Flightpartner. Ich brauche mehr Zeit zum Suchen der Bälle als zum Schlagen. Mich selbst zu treffen ist das Einzige, was mir abgesehen von einem guten Schlag heute noch nicht gelungen ist.«
Cosimo lächelte freundlich, doch in seinen Augen lag ein Ausdruck, der Anne nicht gefiel. Er war wachsam, auf der Hut. Vor wem oder was? Glaubte er etwa, dass dieser Engländer gefährlich war?
»Wenn wir Ihnen irgendwie helfen können …«
»Nein, danke. Es hat einfach keinen Sinn zu spielen, wenn der Kopf nicht frei ist und sich mit anderen Dingen beschäftigt . Und heute …« Er zuckte wieder mit den Schultern. »Mein Großvater würde sich alle Barthaare ausreißen, wenn er mich hier sehen könnte. Außerdem möchte ich nicht meine letzten beiden Bälle in dem Wasserhindernis beim nächsten Loch versenken . Nein, ich denke, ich gebe mich geschlagen und mache Schluss.« Er trat zu seiner Golftasche und schob den Schläger hinein. Dann schulterte er die Tasche, grüßte noch einmal, indem er an den Schirm seiner Golfkappe tippte, und ging über den Platz davon in Richtung Clubhaus.
Anselmo und Cosimo sahen ihm nach.
»Was denkst du, Anselmo?«
»Wahrscheinlich dasselbe wie du«, erwiderte Anselmo grimmig . »Und wir werden gleich wissen, ob wir Recht haben.«
In seiner Hand hielt er plötzlich ein Portemonnaie aus dunkelbraunem Leder. Es sah schon ziemlich abgegriffen aus. Und es gehörte bestimmt nicht Anselmo.
Anne schnappte nach Luft.
»Hat er … hat er das etwa eben …«
Doch Cosimo zuckte gleichmütig mit den Schultern.
»Sein Name ist Sean McLaughlan«, berichtete Anselmo, während er die einzelnen Fächer des Portemonnaies durchwühlte , Kreditkarten, Kundenkarten, Fotos und andere persönliche Dinge herauszog und begutachtete, als wäre es sein gottgegebenes Recht. Anne mochte gar nicht hinsehen. » Britischer Staatsbürger, geboren 1967 in Stirling.«
»Ein Schotte also.«
»Laut Führerschein wohnt er aber jetzt hier in Hamburg. Zu seinem Beruf kann ich nichts sagen. Aber eines ist sicher, er ist kein Golfanfänger. Hier ist sein Mitgliedsausweis des ICG.« Dann drehte Anselmo die kleine Plastikkarte um und stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Schau sich einer das mal an. Der Bursche hat ein Handikap von drei.«
Cosimo nickte langsam. »Ja, das dachte ich mir, als ich seine Schläger sah. Maßangefertigte Linkshänderschläger von Ben Hogan. Ich kenne nicht viele, die mit solchen Schlägern spielen. Und doch scheint er keinen Ball richtig zu treffen. Da fragt man sich doch, woran es liegen mag, welcher Art die Gedanken wohl sind, die einen exzellenten Golfer so vom Spiel ablenken können.«
»Er hat uns angelogen«, sagte Anselmo und blinzelte, während er den davongehenden Mann nicht aus den Augen ließ. »Glaubst du, er hat uns belauscht?«
Cosimo zuckte mit den Schultern. »Möglich wäre es. Es gibt schließlich Richtmikrofone.«
»Wer könnte ihn geschickt haben?«
»Da gibt es viele Möglichkeiten.« Cosimo kniff nachdenklich die Augen zusammen. »McLaughlan. Den Namen habe ich bestimmt schon mal gehört, doch ich weiß nicht, wo und in welchem Zusammenhang. Aber mir fällt dieser Antiquitätensammler aus Edinburgh ein, der das Manuskript von Merlin um jeden Preis haben wollte. Erinnerst du dich noch?«
Anselmo nickte mit einem grimmigen Ausdruck auf seinem hübschen Gesicht.
»Ja. Und ich erinnere mich auch noch genau an die beiden Kerle, die er uns auf die Fersen gehetzt hat.«
»Könntet ihr zwei mich bitte darüber aufklären, worum es hier geht?«, fragte Anne, die allmählich ungeduldig wurde. »Werden Sie etwa verfolgt, Cosimo?«
»Verzeihen Sie, Anne«, sagte Cosimo und sah für einen Augenblick so aus, als hätte sie ihn aus einem Traum geweckt. Aus einem nicht sehr erfreulichen Traum. »Im Laufe der Jahre wird man vorsichtig. Und misstrauisch. Manchmal ist es zweifellos übertrieben. Manchmal hingegen …«
Er schüttelte sich und sah noch einmal in die Richtung, in die der Schotte verschwunden war, so als wollte er sichergehen , dass er sich nicht doch wieder an sie herangeschlichen hatte.
»Sie werden also verfolgt«, stellte Anne fest und war nicht einmal überrascht. »Von wem?«
»Die Namen sind beinahe ebenso zahlreich wie die Gründe. Außerdem möchte ich Sie nicht unnötig gefährden, Anne, sodass ich Ihnen auf keinen Fall Näheres erzählen werde. Und machen Sie sich keine Sorgen, Herr McLaughlan wird sein Portemonnaie zurückbekommen. Anselmo
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