Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms
kriegen. Aber ich kann es nicht, Harry. Ich hab’s versucht, aber ich konnte es nicht. Ich dachte, ich hätte es besiegt – aber dann hat Louise sich mit diesem Jüngelchen von Doktor eingelassen. Da ist es wieder losgegangen.«
»Schieß ihn tot«, sagte Tom. Ich kniete mich wieder hin, griff nach der Machete, säbelte mit der linken Hand an Toms Fesseln herum und hielt mit der rechten das Gewehr.
»Manchmal machen selbst Freunde einen wütend, nicht wahr? Sie tun einfach die falschen Dinge. Dabei wollen sie’s gar nicht. Ich hab’s auch nicht gewollt. Ich kam nicht dagegen an.«
»Wir reden hier nicht von ein paar geklauten Pfefferminzbonbons. Du bist übler als die tollwütigen Wildschweine da draußen, und sie können nichts dafür, dass sie so sind.«
»Ich kann auch nichts dafür. Du hast keine Ahnung, was ich im Krieg gesehen habe. Es war der Horror.«
»Der, von dem du Daddy erzählt hast, der, der die Deutschen umgebracht hat – das warst du selbst, Cecil, oder?«
»Davon hat dein Daddy dir erzählt, ja? Ja. Das war ich. Es war eine Erleichterung. Ziemlich bald hatte ich keine Angst mehr. Zu Hause hatte ich immer Angst gehabt. Meine Mama, die mochte mich. Sie mochte mich sogar sehr. Und sie mochte es, mich zu fesseln – so, wie mein Daddy sie fesselte, wenn er sie nahm. Von ihr hab’s ich gelernt, das Fesseln. Aber ich mochte es nicht, gefesselt zu werden. Sie schon. Ich mochte es, selber zu fesseln. Wir waren ein ziemlich gutes Team – bis ich es eines Tages übertrieben habe. Das war in Arkansas. Ich ging dann in den Krieg und lernte, mehr zu töten. Und ich lernte, es zu genießen. Und als ich zurückkam … fehlte die Spannung. Ich sag dir, Harry – ich kann nichts dagegen tun. Ich hab immer versucht, es nur mit Leuten zu machen, die nichts bedeuten.«
»Als würde dir irgendjemand irgendetwas bedeuten«, sagte ich und schnitt ohne große Fortschritte an Toms Fesseln herum.
»Du wirst mich noch schneiden, Harry«, sagte Tom.
Das Feuer knackte und warf rote Farbflecken auf Cecils Gesicht. Ein Paar Regentropfen sickerten durch das dichte Gestrüpp aus Hecke, Kletterpflanzen und Zweigen über unseren Köpfen, fielen ins Feuer und ließen es zischen.
»Du bist genauso wie dein Daddy, nicht wahr?«, sagte Cecil, »genauso selbstgerecht.«
»Mag sein«, sagte ich.
»Mein Daddy wird dir den Arsch versohlen«, sagte Tom.
Die Machete war scharf, aber schwer zu handhaben, und Tom fing an zu fluchen und sagte mir immer wieder, ich solle sie losmachen und ihr das Gewehr geben. Schließlich legte ich die Machete auf den Boden, fingerte mein Taschenmesser heraus und öffnete es mit den Zähnen.
Cecil kam auf mich zu.
»Komm keinen Schritt näher, Cecil. Ich schieß dir die Beine weg.«
»Schieß ihm seinen Pipimann ab!«, schrie Tom.
Mit dem Taschenmesser ging es leichter. Ich schaffte es, die Fesseln durchzuschneiden, Tom setzte sich auf und rieb ihre Handgelenke. »Er hat mich an der Hand verletzt, und jetzt ist es noch schlimmer geworden.«
»Jetzt ist es gut, Tom.«
»Erst, wenn wir ihm seinen Pipimann weggeschossen haben.«
Ich stand auf, hob das Gewehr, und Cecil wich zurück. Aber ich konnte nicht auf ihn schießen. Man hatte mir nie beigebracht, auf einen Menschen zu schießen. Ich konnte noch nicht mal ein Eichhörnchen oder einen Fisch töten, wenn ich glaubte, dass ich das Tier nicht essen würde; und ich war verdammt sicher, dass ich Cecil nicht essen würde.
Es lag mir nicht, kaltblütig jemanden zu erschießen. Es wäre nicht falsch gewesen, kein Zweifel, aber egal, wie ich mich bemühte, ich konnte mich nicht dazu überwinden. Ich nahm an, wenn ich ihm ins Knie schoss, um ihn außer Gefecht zu setzten, bis ich Daddy geholt hätte, würde er langsam verbluten und ebenfalls sterben. Die Vorstellung, eine Kugel durch menschliches Fleisch zu jagen, überwältigte mich, verursachte mir Übelkeit und trübte meinen gesunden Menschenverstand.
Ich wusste nicht, was ich mit ihm tun sollte. Ich hatte keine Wahl, als ihn laufen zu lassen, Daddy Bescheid zu sagen und zu hoffen, dass er ihn schnappen würde. Wenn ich versuchen würde, Cecil zu fesseln, war ich sicher, dass er den Spieß umdrehen würde, und wenn ich ihn, mit das Gewehr in seinem Rücken, den ganzen Weg nach Hause mitnehmen würde, könnte Cecil mich bestimmt irgendwie überwältigen.
Tom zog ihre Kleider an, als ich sagte: »Du wirst deine Strafe schon noch bekommen, verlass dich drauf.«
»Das ist doch mal ein Wort,
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