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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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als wolle er sie ihm ausziehen.
    Ich nahm das Ruder und machte mich an die Arbeit; dabei versuchte ich, nicht daran zu denken, was Tom vielleicht gerade angetan wurde.
    Dunkle Wolken zogen immer wieder über den Mond, aber keine griff nach ihm und hielt ihn fest. Er schaute hervor, ab und zu, wie ein verängstigtes Kind, das unter warmen Decken hervorlugt. Die Regentropfen fielen dichter, jetzt, wo der Wind noch stärker und durch die Feuchtigkeit kühler wurde.
    Ich ruderte so schnell, dass mir der Rücken und die Arme schmerzten, aber die Strömung war auf meiner Seite und brachte mich gut voran.
    Ich begegnete einem ganzen Schwarm giftiger Wasserschlangen, die in der Dunkelheit umherschwammen. Ich fürchtete, sie würden womöglich in mein Boot klettern, wie sie es manchmal taten, weil sie dachten, es sei ein Stück schwimmendes Holz, auf dem sie sich ausruhen könnten.
    Ich ruderte schnell zwischen ihnen hindurch und trieb den Schwarm auseinander. Eine versuchte tatsächlich, zu mir ins Boot zu kommen, aber ich schlug mit dem Ruder auf sie ein, und sie glitt zurück ins Wasser – ob tot oder lebendig, wusste ich nicht.
    Als der Fluss eine Biegung machte, dort, wo das Moos wie ein Vorhang von den Bäumen hängt und ich unter dem Moos entlangruderte und mit ihm kämpfte, wie man mit einem dichten Vorhang aus Spinnweben kämpft, sah ich das wilde Gestrüpp; und in diesem Moment überkam mich ein merkwürdiges Gefühl der Vergeblichkeit, als würde ich einen schweren Eimer Wasser tragen, dessen Boden plötzlich durchbricht.
    Dieses Gefühl entsprang nur der Angst vor dem, was ich in den Heckentunneln finden würde. Es entsprang auch der Angst davor, überhaupt nichts zu finden. Vielleicht hatte ich mich vertan, und es war doch der Ziegenmann, der Tom hatte. Vielleicht hatte er sie in Moses Hütte versteckt und abgewartet, bis ich endlich verschwände. Aber wenn das stimmte, warum hatte er mir dann das Gewehr zurückgegeben? Auf der anderen Seite: Er war nicht der hellste. Er war ein Geschöpf des Waldes, wie ein Waschbär oder ein Opossum. Er dachte nicht wie normale Leute.
    All dies ging mir durch den Kopf, wirbelte herum und verhedderte sich mit der Angst und dem Gedanken, vielleicht im nächsten Moment einem Mörder gegenüberzustehen. Ich fühlte mich wie in einem Traum, einem Fiebertraum, wie ich ihn vor ein paar Jahren gehabt hatte, alles hatte sich durcheinander gedreht, Mamas und Daddys Stimmen echoten durch das Zimmer, und da waren Schatten überall um mich herum gewesen, die versuchten, mich zu fassen und mich mit sich zu nehmen, Gott weiß wohin.
    Ich ruderte ans Ufer, stieg aus dem Boot und zog es so gut ich konnte an Land. Ich konnte es nicht vollständig aus dem Wasser ziehen, weil das Rudern mich geschwächt hatte. Ich hoffte, es würde nicht abtreiben.
    Ich nahm die Pistole, ging leise den Hügel hinauf und fand die Tunnelöffnung hinter dem Baum, aus der Tom, Toby und ich damals in der Nacht herausgekommen waren.
    Es war dunkel in dem Gestrüpp. Der Mond war hinter einer Wolke, der Wind rüttelte an den knochenartigen Zweigen und schlug sie gegeneinander. Regen tropfte durch die dornigen Äste, vermischte sich mit dem Schweiß in meinen Haaren und rann über mein Gesicht. Ich spürte den salzigen Geschmack auf den Lippen, und ich fröstelte.
    Vierter Juli, und mir war kalt.
    Oder war jetzt schon der fünfte Juli? Ich erinnere mich, dass ich das überlegte. War es schon der fünfte?, fragte ich mich und wusste, dass ich mich das nicht fragen sollte. Ich musste wachsam sein.
    Als ich durch den Tunnel schlich, sah ich durch die Äste ein oranges Licht und einen Schatten, der sich vor diesem Licht bewegte. Ich hörte ein knackendes Geräusch, wie Zweige, die in der Hand eines großen Mannes zerbrechen.
    Ich zitterte, schlich vorwärts, kam an das Ende des ersten Tunnels und blieb wie angewurzelt stehen. Ich konnte mich nicht überwinden, in den großen Tunnel zu gehen; in den Tunnel, der wie eine Höhle war, in dem die Bilder der nackten Frauen und die Stoffstücke hingen. Und schlagartig wurde mir etwas klar. Dieser Stoff, den ich da gesehen hatte, weiß mit etwas Rotem darauf – das war ein Fetzen vom Kragen des Kleides, das Mrs. Canerton auf der Party getragen hatte und wohl auch in der Nacht ihres Todes.
    Es war, als wären meine Füße am Boden festgenagelt.
    Ich entsicherte die Pistole und spähte um die Ecke des Tunnels.
    In der Mitte des Tunnels brannte ein Feuer, dort, wo Tom und ich die

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