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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Er brachte immer eine Menge Fische mit, manchmal auch Eichhörnchen; er verschenkte das alles gern, und den größten Teil bekamen immer wir.
    Daddy hat es nie zugegeben, aber ich konnte sehen, dass Cecils Beliebtheit ihn auf die Palme brachte. Vor allem ärgerte ihn, dass Mama, wenn sie in den Laden kam, unter Cecils Blicken förmlich aufblühte. Sie lachte, auch wenn Cecil etwas sagte, das gar nicht so wahnsinnig komisch war.
    Wenn Daddy beschäftigt war, schnitt mir manchmal Cecil die Haare, und ich muss sagen, es war wirklich ein Erlebnis. Cecil erzählte gern dramatische Geschichten von all den Orten, an denen er gewesen war – überall in den Vereinigten Staaten, überall in der Welt. Er war im Ersten Weltkrieg gewesen und hatte dort die schrecklichsten Kämpfe erlebt. Er erwähnte das, erzählte aber nie Näheres; es schien, als sei es zu schmerzvoll für ihn, davon zu sprechen.
    Auch wenn Cecil vom Krieg nicht viel erzählte – in allen anderen Dingen war er ein regelrechtes Plappermaul. Mich zog er mit den Mädchen auf; manchmal gingen diese Neckereien für Daddys Geschmack zu sehr in eine bestimmte Richtung, dann sah er ihn tadelnd an. Cecil zwinkerte Daddy zu und wechselte das Thema. Aber lange ließ er nicht locker, er kam immer wieder auf das gleiche Thema zurück und zeigte großes Interesse für die Freundin, die ich vielleicht hätte, auch wenn es überhaupt keine Freundin gab. Durch seine Fragen und sein Interesse fühlte ich mich älter und hatte das Gefühl, an den Gedanken und Gepflogenheiten erwachsener Männer teilzuhaben.
    Tom schwärmte ebenfalls für Cecil, in ihrer kleinmädchenhaften Art, und manchmal kam sie in den Laden, nur um eine Weile in seiner Nähe zu sein. Wenn Cecil in der Stimmung war, flirtete er mit ihr, und manchmal schenkte er ihr ein Fünf-Cent-Stück, was ein gutes Zeichen war. Es hieß, dass ich vielleicht auch eins kriegen würde.
    Das Faszinierendste an Cecil war die Art, wie er Haare schnitt. Die Schere war wie ein Teil seiner Hand, sie schnitt wie von selbst und blitzschnell. Wenn er meinen Kopf bearbeitete, wirbelten meine abgeschnittenen Haare im Sonnenlicht um mich herum, mein Kopf verwandelte sich in den Teil einer Skulptur, und aus meinen unbändigen Locken wurde unter Cecils Händen ein Kunstwerk. Er war äußerst fingerfertig, er piekste einen nie mit der Spitze seiner Schere – was Daddy nicht von sich sagen konnte. Wenn Cecil mir Gewürzöl in die Haare massiert, mich gekämmt und meinen Stuhl mit einer eleganten Bewegung umgedreht hatte, damit ich mich im Spiegel hinter dem Stuhl betrachten konnte, war ich nicht mehr derselbe wie vorher – ich fand, ich sah älter aus, männlicher, wenn Cecil meine Haare geschnitten hatte.
    Wenn Daddy das erledigte, mein Haar scheitelte, das Öl einrieb und mich vom Stuhl herunterließ (er drehte mich nie zu dem Spiegel herum, das tat er nur bei seinen erwachsenen Kunden), war ich immer noch ein Kind. Ein Kind mit einem Haarschnitt.
    Weil Daddy an dem Tag, von dem ich erzähle, unterwegs war, bat ich Cecil, mir die Haare zu schneiden, was er auch tat. Er beendete die Prozedur mit von Hand geschlagenem Rasierschaum und einem Rasierer, um den widerspenstigen Haaren hinter den Ohren beizukommen. Cecil rieb das Öl in meine Haare und massierte meinen Nacken, es fühlte sich warm und kribbelig an, und ich wurde schläfrig.
    Als ich von meinem Stuhl heruntergeklettert war, fuhr Mr. Nations Pritschenwagen vor, und er und seine beiden erwachsenen Söhne betraten den Laden. Mr. Ethan Nation war ein riesiger Mann im Overall, und aus seinen Ohren und seiner Nase wuchsen dichte Haarbüschel. Seine Söhne waren rothaarige, segelohrige Kopien ihres Vaters. Sie kauten Tabak – wahrscheinlich seit ihrer Geburt –, und die paar ihrer Zähne, die nicht grün von mangelnder Hygiene waren, waren braun vom Tabak. Sie hatten jeder eine Blechdose bei sich, in die sie ab und zu ausspuckten. Ihr Wortschatz beschränkte sich größtenteils auf derbe Flüche, die man zu der Zeit in der Öffentlichkeit nicht oft hörte.
    Sie kamen nie zum Haareschneiden. Das erledigten sie selbst mit Topf und Schere, und genauso sah es auch aus. Sie saßen auf der Bank im Laden, lasen die Wörter aus den Magazinen, die sie entziffern konnten, bis ihre Lippen müde wurden, und sie klagten mit Vorliebe darüber, wie schlecht die Zeiten seien.
    Daddy behauptete, die Zeiten der Nations seien vor allem deswegen schlecht, weil sie so faul seien; er sagte, sie würden

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