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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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das Schwein zu erschießen, ballerte allerdings versehentlich auf die Stufen vor dem Haus – was dazu führte, dass ein Pfeiler der Veranda brach und das Dach auf Mr. Owens und das Schwein stürzte. Das Schwein erholte sich, Mr. Owens nicht.
    Man vermisste Mr. Owens, der alte Crittendon vermisste sein Schwein, aber Mrs. Owens, die hoch in den Norden zu den anderen Yankees zog, vermisste niemand. Mr. Crittendon gelobte Besserung und versuchte, die Schweine im Hof zu halten. Er versuchte das allerdings nur ein, zwei Wochen lang – dann streunten sie wieder herum, wurden angeschrien und von Steine schmeißenden Fußgängern verjagt. Die Schweine nahmen das gelassen hin und eigneten sich einen geradezu athletischen Sprung an. Blitzschnell hüpften sie zur Seite, sobald sie etwas hörten, das ein Geschoß in ihre Richtung sein könnte.
    Unser Friseurladen war ein weißes Einraumhaus, das inmitten einer Gruppe von Eichen stand. Es war groß genug für einen echten Barbierstuhl und einen herkömmlichen gepolsterten Stuhl. Daddy benutzte den echten, Cecil den anderen.
    Im Sommer stand die Tür offen, und nur die Fliegentür war zu. Zahllose Fliegen versammelten sich darauf, die Tür war die einzige Grenze zwischen ihnen und dem Laden. Daddy zog es vor, die Tür offen stehen zu lassen. Der Grund dafür war einfach: Es war sehr heiß, und durch die offene Tür wehte manchmal ein Luftstoß herein, der ein wenig kühlte. Allerdings war der Wind zu der Jahreszeit oft warm. Es war die Art von Wetter, das einen lehrt, sich so wenig wie möglich zu bewegen, den Schatten zu suchen und keine großen Sprünge zu machen.
    Als ich ankam, saß Cecil auf den Stufen vor dem Laden und las das Wochenblatt. Regelmäßige Öffnungszeiten gab es nicht, aber normalerweise öffnete Daddy den Laden gegen neun. Als ich erschien, war es um einiges später.
    Cecil sah mich über die Zeitung hinweg an. »Wo ist dein Vater?«, fragte er.
    Ich band Sally an einer der Eichen an, ging hinüber, um die Tür aufzuschließen, und gab währenddessen Cecil eine Kurzfassung von den Ereignissen der letzten Nacht.
    Cecil hörte zu. Er schüttelte den Kopf, schnalzte mit der Zunge, und dann gingen wir hinein.
    Ich liebte den Geruch in unserem Laden. Es roch nach Alkohol, Desinfektionsmitteln und Haarwasser. Die dazugehörigen Flaschen standen auf einem Regalbrett hinter dem Barbierstuhl, und die Flüssigkeiten darin hatten verschiedene Farben. Rot und gelb und eine blaue, die leicht nach Kokosnuß roch. Wenn das Sonnenlicht auf die Flaschen traf, funkelten sie wie die Juwelen König Salomons.
    An der Wand nahe der Tür war eine lange Bank mit einem Tisch, auf dem ein Stapel Groschenheftchen mit bunten Titelseiten lag. Die meisten enthielten Kriminalgeschichten. Ich las sie bei jeder Gelegenheit, und manchmal brachte Daddy die zerlesenen mit nach Hause.
    Wenn keine Kunden da waren, las Cecil sie auch; mit einer selbst gedrehten Zigarette saß er dann auf der Bank und sah aus wie eine Figur aus den Magazinen, die er gerade las: hartgesotten, gleichgültig, furchtlos.
    Cecil war ein hoch gewachsener Mann. In der Stadt – und indirekt auch von Daddy – hatte ich gehört, dass die Frauen ihn ziemlich gut aussehend fanden. Er hatte einen gepflegten rötlichen Haarschopf, helle Augen und ein schönes Gesicht mit leicht umschatteten Augen. Er war vor nicht allzu langer Zeit als Arbeit suchender Barbier nach Marvel Creek gekommen. Daddy, der eine mögliche Konkurrenz witterte, bot ihm kurzentschlossen den zweiten Stuhl und eine Anstellung an, und später bedauerte er das manchmal. Nicht, dass Cecil faul wäre oder Daddy ihn nicht leiden könne – Cecil war einfach zu gut. Daddy hatte sich das Frisieren selbst beigebracht, aber Cecil hatte eine richtige Ausbildung oder zumindest ein Zertifikat, das das behauptete. Daddy hatte Cecil erlaubt, das Zertifikat an die Wand neben dem Spiegel zu hängen.
    Cecil konnte wirklich Haare schneiden – und ziemlich bald wollten Daddys Kunden lieber von Cecil als von ihm bedient werden. Es kamen auch viele Mütter mit ihren Söhnen, die zusahen, wenn Cecil die Haare ihrer Kinder schnitt, ihnen in die Wangen kniff und sie zum Lachen brachte. Er war so, freundete sich in kürzester Zeit mit jedem an, ganz besonders mit Frauen.
    Mit Männern redete er vorzugsweise über das Fischen. Bei jeder Gelegenheit schnürte er sein Ruderboot auf dem Dach seines Lieferwagens fest und fuhr zum Fluss. Manchmal nahm er sich dafür ein paar Tage frei.

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