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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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nicht mal die Vogelscheiße vom Stuhl kratzen, bevor sie sich draufsetzten. Wenn Kunden kamen, boten die Nations ihnen nicht ihren Platz an, obwohl sie selbst kein Interesse an einer Frisur hatten. Sie hatten, sagte Daddy, die Manieren von Ziegenböcken. Einmal, als er glaubte, ich sei außer Hörweite, sagte Daddy zu Cecil, wenn man die Hirne dieser ganzen Familie zusammenkneten, einer Mücke in den Hintern schieben und dann die Mücke schütteln würde, würde es klingen wie ein Golfball im Güterwagen.
    Cecil, der auch kein Freund der Nations war, benahm sich ihnen gegenüber trotzdem immer freundlich. Daddy sagte, Cecil sei eben einer, der sich immer unterhalten müsse – und sei es mit dem Teufel darüber, was für ein Feuer der unter seinem Hintern legen würde.
    Kaum hatte sich Mr. Nation auf der Bank niedergelassen, sagte Cecil auch schon: »Harry sagt, es hat einen Mord gegeben.«
    Ich fragte mich, wie Daddy es wohl finden würde, wenn er erfuhr, dass ich meinen Mund nicht gehalten hatte. Daddy redete ebenfalls gern, aber Geheimnisse konnte er für sich behalten.
    Nachdem Cecil das gesagt hatte, blieb mir nichts anderes übrig, als alles zu erzählen. Also: fast alles. Die Sache mit dem Ziegenmann ließ ich aus. Ich hatte nicht mal Cecil von ihm erzählt.
    Als ich fertig war, schwieg Mr. Nation für einen Moment, dann sagte er: »Eine von den Niggerschlampen weniger tut keinem weh.« Dann fragte er mich: »Kümmert sich dein Daddy drum?«
    »Ja, Sir«, sagte ich.
    »Wahrscheinlich steigert er sich da wieder rein. Er macht sich ja immer so ’ne Sorgen um diese Nigger. Da sollt er sich nicht drum scheren, die sollen sich ruhig weiter gegenseitig abknallen, dann müssen wir uns wenigstens nicht mit den Niggers rumschlagen.«
    Ich hatte nie ernsthaft über die persönlichen Grundsätze meines Vaters nachgedacht, aber jetzt dämmerte mir, dass sie das Gegenteil von Mr. Nations Grundsätzen waren; und außerdem, dass Mr. Nation, obwohl er gern in unserem Laden die Zeit totschlug, meinen Vater nicht leiden konnte. Es gefiel mir, dass er Daddy und seine Ansichten nicht mochte – und in diesem Moment, als mir die Verschiedenheit dieser beiden Männer bewusst wurde, schweißten sich meine und Daddys Ansichten, zumindest was das Verhältnis von Farbigen und Weißen betraf, für immer zusammen.
    Dr. Taylor kam in den Laden. Er war nicht der eigentliche Arzt in Marvel Creek, er arbeitete bei Doktor Stephenson, einem mürrischen alten Kerl, der mich und meine Familie ein paar Mal behandelt hatte. Stephenson erinnerte mich mit seinem sauertöpfischen Gesicht und seinem weißen Haar immer an Scrooge aus diesem Weihnachtsmärchen mit all den Geistern.
    Dr. Taylor war groß, blond und hatte ein einnehmendes Lächeln; manche Frauen fanden ihn sogar attraktiver als Cecil. Er hatte für jeden ein freundliches Wort, und er liebte Kinder – Tom behandelte er immer wie eine Prinzessin. Einmal, als er zu uns kam, weil Tom eine schlimme Grippe hatte, brachte er ihr eine Tüte Süßigkeiten mit. Ich erinnere mich gut daran, weil Tom mir nichts abgab. Als ich Dr. Taylor das nächste Mal sah, beschwerte ich mich bei ihm darüber. »Na ja«, sagte er und lachte, »Frauen haben eben so ihre Eigenheiten. Damit müssen wir leben.«
    Er bemühte sich nicht, mir die tiefere Bedeutung dieses Kommentars zu erklären oder mich mit einer Tüte Süßigkeiten aufzuheitern, was ich ihm ziemlich übel nahm.
    Dr. Taylor trug eine französische Münze an einer schmalen Kette um den Hals. Die Münze war von einer Kugel getroffen worden und dementsprechend verbeult. Sie war in seiner Hemdtasche gewesen, und er sagte, sie habe ihm das Leben gerettet. Als Mama das eines Abends erwähnte und sagte, was für ein Glück Dr. Taylor mit der Münze gehabt habe, sagte Daddy: »Ich glaube ja eher, dass er einfach mit dem Hammer draufgehauen hat – und jetzt macht er eine große Geschichte draus, damit er was hat, um euch Frauen zu beeindrucken.«
    Wie auch immer: Ich freute mich, ihn zu sehen. Er erleichterte die Spannung, die in der Luft lag, und er unterhielt sich mit Cecil über dies und das, während Cecil sein Haar schnitt.
    Als Nächster betrat Reverend Johnson den Laden, ein methodistischer Prediger, und Mr. Nation, der durch sein Erscheinen ein leichtes Unwohlsein verspürte, packte sich und seine Söhne in den Wagen und fuhr die Straße hinunter, um jemand anderem auf die Nerven zu gehen. Cecil erzählte Reverend Johnson von dem Mord, aber der

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