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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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und Dr. Tinn mit Dr. Stephenson in das Kühlhaus gingen.
    Ich verstand das alles nicht. Ich hatte gehört, wie Daddy gesagt hatte, Dr. Stephenson wolle mit der Leiche nichts zu tun haben, weil sie eine Farbige war – aber hier war er, weit weg von seiner Praxis, in einer Stadt voller Farbiger, um sie sich anzusehen. Und Dr. Taylor hatte er auch mitgebracht.
    Ich dachte gerade über all das nach, als ich hinter mir ein Quietschen hörte. Ich drehte mich um und sah einen alten farbigen Mann ohne Beine in einem Karren, der mit einer Konstruktion aus Weidenzweigen und einer Plane überdacht war und von einem Schwein in einem ledernen Geschirr gezogen wurde. Der alte Mann war völlig kahl, und sein Schädel sah aus wie eine alte Ledertasche, die man vollgestopft und mit der Hand glattgestrichen hatte. In den Falten auf seinem Gesicht hätte man einen Stift verschwinden lassen können, und er hatte nicht einen einzigen Zahn. Er sah viel älter aus als Miss Maggie; im Vergleich zu ihm war sie ein junges Mädchen.
    Der Mann trug einen dünnen grünen Weidenstock bei sich, mit dem er dem Schwein auf den Hintern klopfte. Das Schwein grunzte und zog den Karren erstaunlich schnell. Neben dem alten Mann in dem Karren gingen zwei Jungen. Sie waren ungefähr so alt wie ich, einer war farbig, der andere weiß. Ihre Kleider waren noch abgetragener als meine. Die Hose des farbigen Jungen war an den Knien zerrissen, und niemand hatte versucht, sie zu flicken; die Hose des weißen Jungen war nur an einem Knie kaputt, über dem Loch war ein Flicken aus einem Baumwollsack, der vom Leben gefärbt worden war, wobei die Farbe wahrscheinlich aus Grasflecken, lehmigen Straßen, verschmutzten Flussufern und Flecken von Waldbeeren bestand.
    Ein paar Leute, die auf der Straße gestanden hatten, gingen in Richtung Kühlhaus und versammelten sich dort wie Amseln auf einem Ast. Mir wurde klar, dass die Tote im Kühlhaus kein Geheimnis war.
    Der alte Mann in dem Karren hielt neben mir an. Er sah mich mit seinen entzündeten Augen an und öffnete seinen zahnlosen Mund, um zu fragen: »Wie geht’s, junger Mann?«
    »Danke, gut, Sir.«
    Ehrlich gesagt: Er machte mir Angst. Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der so alt aussah; und ganz bestimmt noch niemanden in diesem Zustand, ohne Beine und in einem Karren, der von einem Schwein gezogen wurde.
    Der weiße Junge, der neben dem Karren hergegangen war, sagte: »Ich bin Richard Dayle. Ich wohne unten am Fluss.«
    Richard Dayle war ein bisschen älter als ich, glaube ich. Er hatte ein schmales Kinn, volle Lippen und eine Nase, die wir römisch nannten; ein paar Witzbolde sagten, römische Nasen hießen so, weil sie so groß seien wie das römische Reich.
    Ich sagte ihm, dass ich auch am Fluss wohnte, und erklärte ihm, in welchem Teil des Landes wir lebten. Er lebte, von uns aus gesehen, auf der anderen Seite, in dem Teil der Wälder am Fluss, die Sandy Beach hießen, weil es dort mehr weißen Sand gab als dort, wo wir lebten. Wo wir lebten, gab es vor allem roten Lehm und braunen Matsch.
    Der farbige Junge stellte sich als Abraham vor. Er wirkte energiegeladen, so, als habe er viel Kaffee getrunken und erwartete, dass etwas Ungeheuerliches passieren würde, dass ein Tornado oder eine Flut käme oder er über eine Truhe voller Geld stolpern würde.
    Weil wir alle drei im gleichen Alter waren, in dem Alter, wo man sich schnell langweilt und von Erwachsenen eher genervt ist, waren wir sofort Freunde.
    Abraham sagte: »Ricky und ich, wir haben ’ne Menge Bilder mit nackten Weibern.«
    »Aber wir haben sie nicht dabei«, fügte Ricky hastig hinzu, als hätte ich ihn gebeten, die Fotos zu Prüfungszwecken auf der Straße auszubreiten.
    »Ja«, sagte Abraham enttäuscht, »sie sind im Baumhaus, und das ist nicht nah. Wir haben auch Niggerknaller. Ich kann ’ne Blechbüchse über dreißig Fuß wegschießen.«
    Niggerknaller war ein Wort für eine Steinschleuder, die aus einer Schuhzunge, Reifengummi und einem gegabelten Stock gemacht wurde. Der Name war üblich, und Abraham hatte ihn ausgesprochen, ohne lang zu überlegen.
    »Wir haben gehört, da ist ’ne Leiche im Kühlhaus«, fügte er hinzu, »eine Frau ist ermordet worden.«
    Ich konnte mich nicht länger beherrschen. »Ich hab sie gefunden«, sagte ich.
    »Ja, ganz bestimmt«, sagte Abraham. »Nee. Nee, haste nicht. Du verarscht uns doch.«
    »Doch«, sagte ich. »Mein Daddy ist da drin. Er ist Constable bei uns.«
    »Und warum constabelt er dann

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