Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms
oder einen anderen Weg auszuprobieren und auf eine flache Stelle im Wasser zu hoffen, an der man den Fluss überqueren und zur Hauptstraße gelangen könnte. Aber der Fluss wurde erst Kilometer weiter wieder flacher, die Wälder waren rau, es war dunkel, Toby war schwer, und etwas da draußen in den Wäldern hatte uns verfolgt. Ich sah keinen anderen Weg als die Brücke.
Ich atmete tief durch, drückte Toby fester an mich und machte einen Schritt auf das erste Brett.
Die Brücke schaukelte heftig nach rechts, dann zurück, noch heftiger, und weil ich Toby im Arm hatte, bemühte ich mich, mit den Beinen Halt zu finden und zu versuchen, mit der Brücke mitzuschwingen. Es dauerte lange, bis die Brücke sich wieder beruhigt hatte. Ich tat einen zweiten Schritt, versuchte, noch vorsichtiger zu sein, und diesmal schaukelte es nicht so sehr. Ich hatte eine Art Rhythmus gefunden.
»Du musst auf die Mitte der Bretter treten«, rief ich Tom zu, »dann schaukelt es nicht so sehr.«
»Ich habe Angst, Harry.«
»Alles in Ordnung«, sagte ich, »es wird uns nichts passieren.«
Ich trat vorsichtig auf das nächste Brett, es krachte, und ich zog meinen Fuß zurück. Das Brett brach. Die eine Hälfte fiel mit einem lauten Platschen in den Fluss, glitzerte im Mondlicht, drehte sich in den Strudeln braunen Wassers und verschwand.
Ich war starr vor Angst. Mein Magen zog sich zusammen. Ich presste Toby an mich, machte einen großen Schritt über das fehlende Brett auf das nächste. Ich schaffte es, aber die Brücke schaukelte heftig, und hinter mir hörte ich Tom laut aufschreien.
Über die Schulter sah ich, wie Tom das Gewehr fallen ließ und sich mit beiden Händen an den Seilen festklammerte. Das Gewehr blieb in den Seilen unterhalb der Bretter hängen. Die Brücke schaukelte wütend, sie schleuderte mich gegen das eine Seil, dann zurück gegen das andere. In dem Moment war ich mir fast sicher, dass wir ertrinken würden.
Als die Brücke wieder langsamer schaukelte, kniete ich mich hin, drehte mich vorsichtig um und sah Tom an. »Bleib ganz ruhig«, sagte ich.
»Ich kann nicht loslassen«, sagte Tom.
»Du musst loslassen. Und du musst das Gewehr holen.«
Es dauerte lange, bis Tom den Mut aufbrachte, sich über die Seile zu lehnen und das Gewehr aus den unteren Seilen zu fischen. Wir versuchten, uns ein wenig zu beruhigen. In dem Moment, als wir anfingen, langsam und vorsichtig den Weg über die Brücke fortzusetzen, hörten wir weiter hinten das Geräusch. Und dann sahen wir es.
Es war unter der Brücke am anderen Ufer, sehr nahe am Wasser. Man konnte es nicht gut sehen, es war außerhalb des Mondlichtes, im Schatten. Es hatte einen großen Kopf mit etwas, das wie Hörner aussah; der Rest seines Körpers war schwarz wie ein Kohleneimer. Es lehnte sich ein wenig nach vorne, als wolle es uns besser sehen; ich konnte das Weiße in seinen Augen erkennen, und seine Zähne blitzten im Mondlicht. Es gab einen hohen, durchdringenden Laut von sich, der klang wie der Schrei einer riesigen Ratte, die langsam zu Tode geschlagen wird. Zweimal machte es diesen Laut, dann wurde es still.
»Verdammt, Harry«, sagte Tom, »das ist der Ziegenmann, was machen wir jetzt?«
Ich dachte daran, zurückzugehen; dann wäre immerhin der Fluss zwischen ihm und uns. Andererseits müssten wir dann meilenweit durch die Wälder wandern. Und wenn es irgendwie auf die andere Seite käme, würde es uns wieder verfolgen – ich war mir jetzt sicher, dass es der Ziegenmann gewesen war, der uns bei der riesigen Hecke verfolgt hatte.
Wenn wir auf der Brücke weitergingen, kämen wir auf dem höher gelegenen Ufer an, über ihm; und zur Straße der Prediger wäre es nicht mehr weit. Der Ziegenmann wagte sich nicht auf die Straße der Prediger. Das war seine Grenze. Er war gefangen in den Wäldern, an den Ufern des Sabine River.
»Wir müssen weiter«, sagte ich. Ich sah noch einmal hin, in die weißen Augen, auf die weißen Zähne, und ging weiter. Die Brücke schwankte, aber ich war jetzt entschlossener. Tom und ich kamen gut voran.
Als wir fast auf der anderen Seite waren, guckte ich hinunter, aber den Ziegenmann sah ich nirgends. Ich wusste nicht, ob ich ihn nur von hier aus nicht sehen konnte oder ob er tatsächlich verschwunden war. Trotzdem war ich sicher, dass er auf der anderen Seite auf uns wartete.
Aber dort erwartete uns nur der vom Mond erleuchtete Weg, der durch den Wald führte, und weit und breit war niemand zu sehen.
Wir gingen den Weg
Weitere Kostenlose Bücher