Die Wälder von Albion
das mußte Eilan in Zukunft verzichten, sonst wäre alles, was sie erreicht hatte, wieder verloren.
In Vernemeton hieß es, die Hohepriesterin sei krank, und Dieda zeigte sich überhaupt nicht mehr, bis Eilan eines Nachts zurückkehrte. Danach verschwand Dieda spurlos, und nur Caillean wußte, daß sie nach Eriu unterwegs war, um bei den Barden zu lernen.
Cynric war noch immer im Norden. Dieda wußte, es war ihr nicht möglich, sich ihm anzuschließen, auch wenn sie den Wunsch dazu hatte. Sie schien sich schließlich damit abgefunden zu haben, daß sie in einem Land, das die Römer nie betreten hatten, die alte Weisheit und Kunst der Barden lernen würde.
Als Eilans Genesung weitere Fortschritte machte, und sie die Pflichten als Hohepriesterin des Orakels übernahm, wurde ihr bewußt, wie einsam ihr Leben in Zukunft sein würde. Zum Teil lag das an der Dieda aufgezwungenen Zurückgezogenheit. Die Distanz zu den anderen lag jedoch auch an dem neuen Amt.
Eilan zeichnete Caillean, Eilid, Miellyn und die junge Senara damit aus, daß sie die vier Frauen als ihre persönlichen Helferinnen wählte. Die anderen Priesterinnen und Novizinnen sah sie nur bei den Zeremonien.
In der Vergangenheit hatten in Vernemeton immer wieder in Not geratene Frauen und Kinder Schutz gefunden. Es war deshalb nicht besonders außergewöhnlich, daß die junge Frau Lia und das Kind, das ihr der höchste Druide als Amme anvertraut hatte, im Heiligtum aufgenommen wurden. Man brachte sie in dem Rundhaus neben den Lagerräumen unter, das für Besucher bereitstand. Es überraschte auch nicht, daß Caillean das Kind der Hohenpriesterin brachte, damit sie es segnete.
Nach dem ersten glücklichen Wiedersehen weinte Eilan viele Stunden. Sie spürte, daß Gawen, den Lia jetzt stillte, bereits mehr das Kind dieser Frau als ihr eigenes war. Eilan hatte jedoch mit der Entfremdung gerechnet. Es war ein Wunder, daß Ardanos - wenn auch gezwungenermaßen - sein Wort gehalten hatte. Manchmal überlegte Eilan, wie es Caillean gelungen war, ihm dieses Zugeständnis abzuringen, aber sie wagte nicht, danach zu fragen.
Natürlich wurde bald darüber geredet, daß ihre Anteilnahme für das Kind mehr als offenkundig war. Caillean war so klug, der alten Latis unter dem Siegel der Verschwiegenheit anzuvertrauen, der kleine Junge gehöre ihrer Halbschwester Mairi, die wieder heiraten wolle und deshalb ihren Sohn aus erster Ehe hierher geschickt habe. Wie nicht anders zu erwarten, kannten in wenigen Tagen alle in Vernemeton diese Geschichte. Einige blieben mißtrauisch und vertraten die Ansicht, es sei bestimmt Diedas Kind, aber niemand ahnte, daß Eilan die Mutter war. Es dauerte nicht lange, und bald war der Kleine der erklärte Liebling der meisten Frauen, den sie verwöhnten, wann immer sie konnten.
Eilan quälte das schlechte Gewissen. Sie hatte dem Ruf ihrer Schwester geschadet und der Frau, die immer wie eine Schwester zu ihr gewesen war. Trotzdem, die Täuschung war gelungen, und im Augenblick zählte nichts anderes. Noch mehr litt sie darunter, daß sie sich nicht zu ihrem Kind bekennen konnte. Aber das durfte sie nicht, und das würde sie nicht. So vergingen die Wochen, und der drohende Skandal schien abgewendet.
Für Eilan schleppten sich die Tage mühsam dahin. Die ständige Angst, die Gefahr einer Entdeckung und die drohende Zukunft lasteten ihr schwer auf der Seele. Ardanos kam eines Tages und berichtete beinahe schadenfroh, der Sohn des Präfekten habe in Londinium die Tochter des Prokurators geheiratet.
Sie wußte, daß es hatte so kommen müssen. Aber als sie die Nachricht aus dem Mund des höchsten Druiden hörte, fiel es ihr schwer, die Tränen zurückzuhalten. Sie wollte Ardanos jedoch nicht die Genugtuung geben, sie weinen zu sehen, und ließ sich in seiner Gegenwart nichts von ihrem Kummer anmerken.
Was konnte sie noch tun? Eilan klammerte sich daran, daß Gaius und sie die richtige Entscheidung getroffen hatten. Trotzdem plagten sie Zweifel. Außerdem gelang es ihr nicht, in dieser Römerin keine Rivalin zu sehen, auch wenn Gaius ihr feierlich geschworen hatte, er liebe Julia Licinia nicht. Eilan war die Mutter seines Erstgeborenen. Bedeutete das nichts? Hatte er sie vielleicht doch vergessen? Wie sollte sie das je erfahren?
Die Zeit verging unerbittlich, und Beltane rückte näher. Diesmal würde sie als die Stimme der Göttin vor die Menschen treten müssen.
In den Stunden der Nacht stellte Eilan sich die Frage, ob die Göttin sie für
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