Die Wälder von Albion
Amulett an der Wand, das sie vor Feuer schützen sollte.
In letzter Zeit ist sie sehr abergläubisch geworden, dachte Gaius. Natürlich wäre ein Brand eine Katastrophe, aber sie hatten zuverlässige Sklaven, und er vertraute mehr der Wachsamkeit seiner Diener als irgendwelchen Göttern oder Zaubersprüchen.
Als sie zur Treppe kamen, sagte Julia: »Ich glaube, ich gehe jetzt auch schlafen.«
Gaius legte ihr die Hand auf die Schulter und küßte sie auf die Wange, die sie ihm bot.
So war es jetzt immer. Wenn er dann ins Schlafzimmer kam, würde sie so tief schlafen - oder vorgeben zu schlafen -, daß er sie in Ruhe ließ. Er hätte ebensogut keine Frau haben können. Wie sollte sie noch ein Kind von ihm bekommen, wenn sie nicht mehr mit ihm schlafen wollte?
Es schien jedoch sinnlos, mit ihr darüber zu sprechen. Er wünschte ihr eine gute Nacht und ging zu seinem Schreibzimmer im anderen Teil der Villa. Dort wartete eine dicke Schriftrolle von Tacitus, der über das Leben von Agricola geschrieben hatte. Darauf freute er sich schon.
In seinem Zimmer entdeckte er jedoch, wohin das Äffchen geflohen war. Das freche Tier saß auf seinem Schreibpult, hatte die Papyrusrolle zerfetzt, die Stücke im ganzen Zimmer verstreut und das Schreibpult mit seinen Exkrementen besudelt.
Gaius schäumte vor Wut. Er packte das Vieh und warf es hinunter in den Hof. Er hörte einen dumpfen Aufprall und dann ein Wimmern. Kurz darauf war alles still.
Gut, dachte er, vielleicht ist damit das Problem gelöst. Wenn der Affe tot war, würde er nicht trauern. Er würde Julia auch ohne Gewissensbisse erzählen, daß ihr Spielzeug einem Hund zum Opfer gefallen sein mußte.
Soll dieser Christ sie doch trösten, dachte Gaius. Er wußte allerdings, daß diese Einsiedler keusch lebten und mit Frauen nichts im Sinn hatten.
Als er viel schneller als beabsichtigt im Bett lag und wieder einmal nicht einschlafen konnte, hätte er sich das auch gewünscht - ein Leben ohne Frauen.
25. Kapitel
Gaius erwachte früh am nächsten Morgen und dachte, er müsse unbedingt etwas unternehmen, um seinen Sohn zu finden. Ardanos würde bestimmt wissen, wie er seine Enkeltochter um ein Gespräch bitten konnte. Gaius drängte es nicht, mit dem alten Druiden zu reden, der vermutlich auf seine Weise ebenso fanatisch war wie Vater Petros. Trotzdem schien ihm keine andere Möglichkeit zu bleiben. Wo sollte er Ardanos finden? Er wußte nur, daß er nicht mehr in seinem Haus in Deva lebte.
Während er noch über das Problem nachdachte, hörte er, wie jemand an das Tor klopfte. Der Türsteher schimpfte leise vor sich hin und öffnete. Gaius stand auf und zog sich schnell an. Dann verließ er leise das Zimmer, um Julia nicht zu wecken.
Im Vorraum wartete ein Legionär mit einer Nachricht von Macellius, der seinen Sohn um einen Besuch in der Präfektur bat.
Gaius hob die Augenbrauen. Was hatte das zu bedeuten? Offiziell befand sich sein Vater im Ruhestand, aber Gaius wußte sehr wohl, daß der alte Mann ein geschätzter Ratgeber des jungen Kommandanten der Zwanzigsten Legion geworden war.
Trotzdem konnte sich Gaius nicht vorstellen, was sein Vater von ihm wollte. Er zögerte jedoch nicht und versprach, sich schnellstens auf den Weg zu machen. Vermutlich war es ohnehin besser, wenn er das Haus verließ, denn wenn Julia entdeckte, daß ihr Äffchen nicht mehr lebte, waren die nächsten Tränen fällig. Das wollte er sich ersparen.
Gaius ritt durch die Stadt und geradewegs zu den Toren des Kastells. Er wechselte ein paar Worte mit dem Wachoffizier, der ihn noch aus seiner Zeit als Prokurator kannte.
»Dein Vater erwartet dich«, sagte der Mann. »Der Legat und er sitzen im Prätorium.«
Auf der Bank vor dem Zimmer des Befehlshabers saß eine ängstlich wirkende Frau. Sie war eine dunkelhaarige Britonin und hatte eine blasse Haut wie die Silurer. Gaius schätzte sie auf dreißig bis fünfunddreißig. Sie trug ein kostbares safrangelbes Gewand, das über und über mit Gold bestickt war. Was mochte diese Frau getan haben?
Als man ihn vorließ, erkundigte sich Gaius sofort nach der Frau.
»Sie heißt Brigitta«, antwortete sein Vater kopfschüttelnd, »und behauptet, sie sei die Königin der Demeten. Ihr Mann ist gestorben und hat seinen Besitz zu gleichen Teilen ihr und dem Kaiser vermacht. Daraus leitet sie das Recht ab, über die Demeten zu herrschen. Woran erinnert dich das, mein Sohn?«
Gaius fuhr sich nachdenklich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Es war
Weitere Kostenlose Bücher