Die Wälder von Albion
Anfang an deutlich machen, daß sie in keiner Weise von der Priesterschaft Befehle entgegennahm. Die Druiden sollten auch nicht den geringsten Vorwand haben, Einfluß auf das Leben der Frauen zu nehmen.
Sie bestimmte eine einfallsreiche und praktische Novizin zur Köchin und versprach ihr, sie werde bald so viel Hilfe bekommen, wie nötig sei.
Noch im Laufe des Tages führte sie ein Gespräch mit dem verantwortlichen Druiden. Sie erklärte ihm, daß sofort ein Haus gebaut werden müßte. Noch bevor der Winter begann, sollten Räume zur Verfügung stehen, in denen etwa vier-bis fünfmal mehr Frauen, als sie jetzt waren, ein Unterkommen finden würden. Höflich, aber energisch wies sie den Einwand des Druiden zurück, ihre derzeitige Unterkunft werde doch bestimmt für einen Winter ausreichen.
Als sie den Mann schließlich entließ, ging er sichtlich ungehalten und verwirrt davon. Vermutlich hatte er den Eindruck, von einer ganzen Reiterschar überrannt worden zu sein. Aber Caillean freute sich darüber, daß sie zum ersten Mal in ihrem Leben in der Lage war, ihren Willen durchzusetzen. Das war keine unangenehme Erfahrung, und an der klaren, ruhigen Kraft, die sie spürte, erkannte sie auch, daß die Göttin am Werk war. Die Göttin hatte sie auf diese geheimnisvolle Insel geschickt, weil sie hier am besten für SIE wirken konnte. Hier wurden ihre Talente gefordert, wie es noch nie zuvor der Fall gewesen war.
Sie wünschte, Dieda wäre mit ihr gekommen. Sie hätte die jungen Frauen Musik und die Gesänge lehren können. Aber vielleicht war ein Anfang ohne eine der älteren Priesterinnen besser. Auf diese Weise konnten keine der alten Spannungen und Reibereien aufkommen. Da Caillean einen engen Kontakt suchte, war es von großer Bedeutung, daß sich niemand aus ihrer Gruppe gegen die Regeln auflehnen würde, die sie für wichtig und sinnvoll hielt. Sie beschloß jedoch, am Ende des Tages eine der Novizinnen, die am meisten Erfahrung mit Gesängen hatte, damit zu beauftragen, ihre Leier spielen zu lernen. Vielleicht würde sie ihr später sogar zeigen, wie man solche Instrumente bauen konnte.
Als Caillean sich schließlich schlafen legte - die Novizinnen hatten den Abend damit verbracht, das Wissen der Göttin, das Caillean sie Stück für Stück lehrte, auswendig zu lernen -, hörte sie aus der Ferne den feierlichen Gesang der christlichen Brüder. Und so schlief sie unter den Worten »Kyrie eleison« in großer Dankbarkeit ein, denn die Göttin hatte sie an einen Ort geführt, der vielversprechender war, als sie es sich jemals hätte denken können.
In der Nacht träumte sie von einem Heiligtum der Priesterinnen, von Festungen und großen Hallen auf der heiligen Insel. Es war ein Blick in die Zukunft.
Vielleicht erlebte sie das alles nicht mehr, aber eines Tages würde ihr Traum bestimmt Wirklichkeit werden.
28. Kapitel
Nach Beltane wurden die Tage länger. Die Hirten trieben die Rinder auf die Weiden an den Berghängen, und die Bauern waren schon frühmorgens auf den Feldern. Das Getreide stand gut, und die Hoffnung wuchs, daß nach den schlechten Jahren diesmal eine reiche Ernte die Arbeit belohnen würde.
Am Mittsommerfest versuchte Ardanos zum ersten Mal nicht, Eilan vor dem Ritual seine Wünsche zu vermitteln. Als sie ihn dann in der Mittsommernacht sah, stellte sie mit Verwunderung fest, wie alt und schwach der höchste Druide plötzlich wirkte.
Nachdem Eilan wieder aus der Trance erwacht war, sagte man ihr, die Göttin habe große Veränderungen und gefährliche Wirren vorausgesagt. Aber SIE habe auch Frieden prophezeit, wenn diese Zeit der Unruhe erst einmal vorüber sei.
Kein Wunder also, daß nach dem Fest im ganzen Land Gerüchte kursierten. Aber niemand wußte, aus welcher Richtung die Gefahren wirklich drohten.
Eilan hatte sich vorgenommen, dem höchsten Druiden einen Besuch abzustatten, nachdem sie sich vom Ritual erholt hatte. Aber zu dieser Jahreszeit gab es in Vernemeton sehr viel zu tun. Im Hochsommer halfen sogar die Novizinnen auf den Feldern von Vernemeton beim Heumachen. Und es fehlte Caillean mit ihrem unerschöpflichen Wissen und ihrer Fähigkeit, in ihrer ruhigen Art alle Arbeiten reibungslos zu organisieren. Eilan versuchte, diese Lücke zu füllen. So vergingen die Tage wie im Flug, und sie war noch immer nicht bei Ardanos gewesen.
Eilan beaufsichtigte die Frauen, die das Leinen für die Gewänder der Druiden woben, und sie half sogar beim Färben, das ohne Caillean besonders
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