Die Wälder von Albion
benachrichtigen, wenn die Götter uns zu einer Entscheidung geführt haben, da es nicht ihr Wunsch war, uns durch Ardanos ihren Willen kundzutun.«
Der fünfzehnte Sommer der Herrschaft Domitians neigte sich dem Ende entgegen. Das Wetter blieb wie schon am Vortag schwül und drückend. Am Horizont schien sich ein Gewitter zusammenzubrauen.
Gaius ritt durch die Straßen von Deva und wartete auf das erste Grollen des Donners - aber nicht nur er litt unter der Schwüle. Die Stimmen der Straßenverkäufer klangen schrill und gereizt. Überall auf den Straßen stritten sich die Leute, und es kam zu Handgreiflichkeiten. In den Weinschänken und in den Unterkünften der Soldaten sprach man schon seit Tagen offen von Rebellion und Meuterei. Sogar sein Hengst schien die Spannungen zu spüren, die in der Luft lagen, und tänzelte unruhig wie vor einer Schlacht. Gaius konnte sich nicht auf den Weg konzentrieren. Er war mit seinen Gedanken woanders.
Die Iden des September… die Iden des September…
Die Worte hallten mit jedem Hufschlag, der das Pflaster traf, unheilvoll in seinem Kopf. Seit er von Macellius das Datum der geplanten Entmachtung des Kaisers erfahren hatte, konnte Gaius nicht mehr schlafen. Sein Vater glaubte, daß die Stämme sie unterstützen würden, aber Gaius zweifelte daran. Wenn die Adler sich gegenseitig bekämpften, mochten die Raben am Ende die Sieger sein. Lohnte es wirklich, einen allgemeinen Aufstand zu riskieren, nur um Domitian zu stürzen?
Wenn das vorüber ist, werde ich mit Freuden für den Rest meines Lebens auf dem Landgut bleiben. Ich bin nicht zum Verschwörer geschaffen.
Gaius rieb sich müde die Augen. Er dachte an den Grund für diesen Ritt und schüttelte den Kopf. Ausgerechnet diesen Augenblick hatte sich der höchste Druide, der ein Garant der Stabilität in der Provinz war, ausgesucht, um zu sterben.
Wenn Gaius an die Hölle der Christen geglaubt hätte, von der Julia sprach, dann hätte er den alten Ardanos dem Höllenfeuer übergeben. Es war eine teuflische Bosheit, sie durch seinen Tod in eine so schwierige Lage zu bringen. Mithras allein wußte, wen die Druiden zu seinem Nachfolger wählen würden. Selbst wenn er den Römern freundlich gesonnen wäre, dann würde es einige Zeit dauern, um das Vertrauen aufzubauen, das zwischen Ardanos und Macellius bestanden hatte. Aber die Ereignisse in Rom richteten sich nicht danach, was im fernen Britannien geschah. Das war das eigentliche Problem in diesem Riesenreich. Keiner wußte mehr, was wo und mit welchen Folgen geschah.
Gaius stand zwischen den Fronten. Aber er fühlte sich in erster Linie Eilan und seinem Sohn verpflichtet. Bei einem Krieg aller gegen alle war Vernemeton gefährdet und konnte zur Zielscheibe von Übergriffen werden. Wer würde dann noch die Sicherheit der Priesterinnen garantieren? Man mußte kein Prophet sein, um vorauszusehen, daß sich Greueltaten, wie sie in Mona geschehen waren, jederzeit wiederholen konnten. Er mußte handeln, bevor der eigentliche Sturm losbrach, das Land erbebte, und eine Revolution unvermeidlich war.
Die Nachricht vom Tod des Ardanos hatte Gaius zum Handeln getrieben. Er hatte sich vom Legaten offiziell eine Beileidsbotschaft geben lassen und befand sich auf dem Weg zu Eilan. Ihm ging es jedoch weniger darum, ihr sein Beileid auszudrücken, er wollte ihr einen Vorschlag machen!
Gaius hatte für dieses Treffen viel Zeit und Überlegung auf sein Aussehen verwandt. Er trug zwar römische Kleidung, aber mit keltischen Farben. Die safrangelbe Tunika war mit Akanthusblättern bestickt, und er trug eine dunkelrote Hose aus Hirschleder. Der leichte Mantel aus brauner Wolle wurde von einer goldenen Spange gehalten. Niemand konnte von ihm verlangen, auf dem Pferd eine Toga zu tragen.
Trotz seiner prächtigen Kleidung war Gaius aufgeregt, als er mit seinem Hengst in die Allee einbog, die nach Vernemeton führte. Er hatte sich am Morgen die ersten grauen Haare an den Schläfen auszupfen lassen. Würde er Eilan noch immer gefallen?
Man führte ihn in den Garten. Dort saß vor einer duftenden Geißblatthecke unter einem Baum eine Frau mit einem blauen Schleier. Es konnte nur die Hohepriesterin sein, denn ihr Leibwächter stand nicht weit entfernt und musterte den Besucher mißtrauisch.
Trotzdem fiel es Gaius schwer zu glauben, daß die bewegungslos und aufrechtsitzende verschleierte Gestalt Eilan sein sollte.
» Domina… « , er schwieg und verneigte sich vor ihr. »Ich bin gekommen, um im
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