Die Wälder von Albion
sind… «
Er schwieg, und Caillean ergänzte: »… und alle Göttinnen sind eine Göttin.«
Sein altes Gesicht war freundlich. »Das stimmt. Diejenigen, zu denen unser Herr als der Sohn Gottes kam, sehen das Göttliche nicht in einer Frau. Deshalb sprechen wir zu ihnen nicht von der Göttin, sondern von Sophia… der heiligen Weisheit. Aber wir wissen, die Wahrheit ist unteilbar und eins.«
Er fuhr bedächtig fort. »Deshalb erscheint es mir sehr richtig, daß du hier nach der Art deines Volkes ein Heiligtum der Heiligen Weisheit errichten sollst.«
Caillean verneigte sich. Sein faltiges Gesicht wirkte nicht häßlich, denn aus ihm strahlte echte Güte.
»Das ist eine wunderbare Aufgabe für den Rest dieses Lebens, meine Schwester.«
Sein Blick richtete sich nach innen. Er schwieg eine Weile und murmelte dann: »Es ist richtig, daß du hierher gekommen bist… Mir scheint, wir haben bereits zusammen vor demselben Altar gestanden… «
Caillean staunte nicht zum ersten Mal, seit sie den seltsamen alten Mann getroffen hatte.
»Ich habe gehört, daß deine Glaubensbrüder das Wissen um die Inkarnationen leugnen«, erwiderte sie. Aber es stimmte, was er gesagt hatte. Für sie war es eine Wiederbegegnung wie damals mit Eilan.
»Es steht geschrieben«, sagte der alte Priester, »daß unser Meister selbst an die Wiedergeburt glaubte, denn er hat zu dem Wegbereiter, den die Menschen Jochanaan nannten, gesagt, er sei der wiedergeborene Elias. Es steht aber auch geschrieben, daß er gesagt hat, Milch ist für Säuglinge und Fleisch für starke Männer. Vielen von den Säuglingen unter uns im neuen Glauben wird die Nahrung gegeben, die für geistige Säuglinge richtig ist, damit sie es nicht unterlassen, sich zu bessern und das Leben auf der Erde so gut wie möglich nutzen. Unser Meister hat jedoch auch gesagt, noch in dieser Zeit soll der Menschensohn kommen. Deshalb bin ich hier, damit auch das Volk am Ende der Welt die Wahrheit erfährt und hört.«
Caillean sagte ruhig: »Möge die Wahrheit siegen.«
»Ich wünsche dir Erfolg für deine Aufgabe, meine Schwester«, erwiderte der alte Mann. »Es gibt hier viele, die sich über eine fromme Schwesternschaft freuen werden.«
Er verneigte sich noch einmal und wollte gehen.
»Darf ich deinen Namen erfahren, mein Bruder?«
»Ich heiße Joseph und ich war ein Kaufmann in Arimathea. Möge der Erfolg deiner Arbeit für uns alle ein großer Segen sein. Die frommen Frauen, die unter uns weilen, haben den Meister noch selbst gesehen. Sie werden sich über eine Frau freuen, die von dem göttlichen Wissen erleuchtet ist.«
Caillean verneigte sich. Sie fand es seltsam, hielt es aber für ein gutes Zeichen, daß sie von diesen Christen, die Frauen nicht besonders schätzten, freundlicher auf der Insel willkommen geheißen wurde als von den Druiden.
Diener des Lichts…
Die Worte drangen aus der Tiefe ihres Bewußtseins empor. Als der alte Priester sich entfernte, hoben sich ihre Hände in einer Geste der Ehrerbietung, die sehr viel älter war als die Druiden.
Wenn eine so starke und große Seele sich mit den Christen verbünden konnte, dann mußte für sie alle noch Hoffnung bestehen.
Als Joseph von Arimathea wieder in dem kleinen Gebäude verschwand, lächelte Caillean glücklich. Sie wußte jetzt, daß die Göttin ihr Tun hier mit Wohlgefallen sah, und daß es in der Tat einen guten Grund für die Arbeit gab, die vor ihr lag. Sie beschloß, noch an diesem Tag damit zu beginnen.
Beim Frühstück mit den anderen Frauen wurde Caillean plötzlich bewußt, daß sie hier - weit entfernt von allen vertrauten und bekannten Dingen - nicht die Distanz zu den anderen halten konnte, die Lhiannon und Eilan in Vernemeton immer gewahrt hatten.
So traf sie ihre erste Entscheidung. Keine Außenstehenden sollten für sie arbeiten. Es war wichtig, so anzufangen, wie sie vorhatte weiterzumachen.
Caillean mußte deshalb auch sofort entscheiden, wie weit der Kontakt zur Priesterschaft der Druiden überhaupt gehen sollte. Sie würde aus der gezeigten Ablehnung die Konsequenz ziehen und auf völliger Unabhängigkeit bestehen.
Es fiel ihr nicht schwer, die größte und stärkste der jungen Frauen damit zu beauftragen, einen geeigneten Platz für einen Garten zu finden. Sie sollte so schnell wie möglich Beete anlegen und so viel Gemüse anbauen, wie sinnvoll war. Die Bevölkerung der Umgebung würde ihnen natürlich ebenfalls Nahrungsmittel zur Verfügung stellen. Aber Caillean wollte von
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