Die Wälder von Albion
Namen des Legaten von Deva unser Beileid zum Tod des höchsten Druiden, deines Großvaters, zum Ausdruck zu bringen. Man wird ihn sehr vermissen. Er war… «, Gaius dachte kurz nach, »ein wahrhaft bemerkenswerter Mann.«
»Es ist in der Tat ein großer Verlust für uns«, antwortete sie. Obwohl ihre Stimme keine Gefühle verriet, schlug sein Herz schneller, als sie ihn mit einer Geste aufforderte, sich zu setzen, und fragte: »Darf ich dir eine Erfrischung anbieten?«
Gaius mußte etwas geantwortet haben, denn kurz darauf erschien ein Novizin mit einem Tablett, auf dem sich Honigkuchen und ein Krug befanden. Man bot ihm ein kühles Getränk aus wohlschmeckenden Kräutern und Beerensaft an, der mit Wasser verdünnt war.
Das Wasser stammt vermutlich aus der heiligen Quelle, dachte Gaius. Er trank und überlegte, was er als nächstes sagen sollte. Sein Blick richtete sich wieder auf die Frau, und er sah plötzlich, daß der Schleier sich zitternd bewegte.
»Eilan… «, flüsterte er, »bitte, laß mich dein Gesicht sehen. Es ist so lange her… «
Sie lachte kurz.
»Wie töricht, von mir zu glauben, es sei nichts dabei, dich wiederzusehen.«
Sie zog mit einem Ruck den Schleier vom Gesicht, und er sah, daß in ihren Augen Tränen standen.
Gaius staunte, denn Eilan wirkte überhaupt nicht älter. Vor ihm saß das Mädchen, das er kannte. Trotz Tränen, trotz des schweren Torque um den schlanken Hals, der zu zart für die Last zu sein schien, wirkte sie bezaubernd jung. Aber er spürte auch ihre Kraft, ihre Hoheit und ihre Macht.
In ihrer Welt übt sie seit Jahren soviel Macht aus wie der Befehlshaber einer Legion.
Diese schöne, begehrenswerte Frau konnte nicht die Furie sein, die ihn in seinen Alpträumen quälte. Alte Erinnerungen stürmten auf ihn ein. Er wollte sich ihr zu Füßen werfen und ihr aufs neue seine Liebe erklären. Aber der finstere Leibwächter hätte ihn wahrscheinlich mit der Keule erschlagen, wenn er das gewagt hätte. Nein, ermahnte er sich, Eilan ist nicht mehr das unschuldige Mädchen, das mir einmal vertraut hat.
»Hör mich an, Eilan, ich weiß nicht, wie lange ich bleiben kann«, sagte er schnell. »Es gibt Krieg, aber nicht, weil dein Großvater tot ist, sondern weil in Rom grundlegende Veränderungen stattfinden. Macellius hofft, daß die Britonen uns unterstützen werden, aber niemand kann sagen, was wirklich geschieht. Ich muß dich in Sicherheit bringen, Eilan… dich und den Jungen.«
Eilan sah ihn enttäuscht an. Ihre grauen Augen wurden ausdruckslos und hart.
»Habe ich dich richtig verstanden? Jetzt, da das Kaiserreich auseinanderzubrechen droht und ihr Römer bereit seid, euch gegenseitig zu zerfleischen, da bietest du mir römischen Schutz an… nach all den Jahren? Wenn es in den nächsten Wochen zu Schwierigkeiten kommen wird, bin ich, wenn überhaupt irgendwo, dann hier sicher… « Sie deutete auf die Palisaden und auf ihren Leibwächter. »Wie kannst du oder deinesgleichen mir dann noch Schutz bieten?«
Gaius schoß das Blut ins Gesicht, denn ihre kalten und herablassenden Worte verletzten seinen Stolz.
»Bist du sicher, daß sich dein Volk nicht gegen dich wenden wird? Deine Orakelsprüche haben immer wieder den Frieden mit Rom beschworen. Doch jetzt ist dein Großvater nicht mehr da. Wen werden Leute wie Cynric anklagen, wenn etwas geschieht? Eilan, verstehst du nicht, daß du mit mir kommen mußt?«
»Ich muß … ?«
Ihre Augen blitzten vor Zorn. Diese römischen Männer behandelten Frauen entweder wie Kinder oder wie hilflose Wesen, die auf Gedeih und Verderb auf ihren männlichen Schutz angewiesen waren. Eine Frau mußte schön und einflußreich sein. Und je nachdem wie die Dinge sich entwickelten, war sie begehrenswert oder nicht viel mehr wert als ein abgelegtes Kleidungsstück.
»Und was sagt deine römische Frau zu diesem Plan? Hat sie nach dreizehn Jahren genug von dir, oder willst du sie loswerden?«
»Julia ist Christin geworden und hat ein Keuschheitsgelübde abgelegt. Nach römischem Recht ist das ein Grund, mich von ihr zu trennen. Ich kann dich heiraten, Eilan. Wir können von jetzt an zusammensein. Wenn du das nicht willst, dann kann ich unseren Sohn adoptieren!«
»Wie freundlich von dir!«
Eilan war entsetzt über seine Gedankengänge. Er schien jedes Gefühl für die Ehre der Frau verloren zu haben, die das höchste Amt ihres Volkes bekleidete. Er dachte wie immer nur an sich und seinen Vorteil. Ihr Gesicht glühte, und ihre Augen
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