Die Wälder von Albion
diese unschuldige reine Frau, denn nur dann kann ich vielleicht wieder zu mir selbst finden.
Gaius gab sich noch nicht geschlagen. So oder so würde er Senara gewinnen und auch seinen Sohn - selbst wenn sich ihm alle Legionen Roms und die Krieger aller Stämme in den Weg stellen würden…
Eilan verbrachte die Tage nach dem Besuch von Gaius in völliger Zurückgezogenheit. Die Priesterinnen dachten, sie betraure den Tod ihres Großvaters.
Der Tod von Ardanos hatte sie zunächst überrascht und innerlich aufgerüttelt, aber jetzt empfand sie eher Erleichterung als Trauer.
Ihre Reaktion auf Gaius war jedoch etwas anderes. Der Zorn hatte sie ebenso verblüfft wie ihn. Ihr war nicht bewußt gewesen, wie sehr sie darunter gelitten hatte, daß Gaius sie damals verließ - aber sie hatte es im tiefsten Inneren so empfunden. Gewiß, sie hatte zugestimmt, daß er diese Römerin zur Frau nahm, aber trotz allem hätte er sich längst um einen Kontakt zu ihr bemühen müssen! Wie konnte er es wagen, bei ihr zu erscheinen und ohne ein Wort der Liebe versuchen, ihr das Kind wegzunehmen?
An diesem Punkt ihrer Gedanken mußte sie sich immer wieder zur Ordnung rufen. Sie mußte sich zwingen, ein paar Schritte zu gehen oder eine strenge Meditationsübung zu machen, die sie von Caillean gelernt hatte. Die Wucht der Gefühle drohte sie mitzureißen, und dann wäre sie hoffnungslos verloren gewesen. Bitterkeit und Zweifel würden sie verunsichern und schwächen. Sie durfte sich ihrem Zorn nicht überlassen und mußte das Gleichgewicht wiederfinden.
Es vergingen mehrere Tage, bis es ihr gelang, ruhig über das nachzudenken, was Gaius ihr gesagt hatte. Ihr wurde klar, daß die veränderte Lage von ihr höchste Wachsamkeit und Klugheit verlangte. Wer würde sich berechtigt fühlen, ihr zu sagen, was sie im Namen der Göttin dem Volk verkünden sollte?
Eilan hatte gehört, daß inzwischen die Druiden aus allen Teilen des Landes eintrafen und offenbar bereits heftige Auseinandersetzungen um die Nachfolge im Gang waren. Bisher stand nur fest, daß der neue höchste Druide nach Lughnasaid gewählt werden würde. Also brauchte sie sich wegen dieses Festes keine Sorgen zu machen. An Samhain jedoch würde sich der neue Führer bei den Druiden mit seinen Plänen durchgesetzt haben. Und dann stellte er für sie eine neue Herausforderung oder sogar eine Gefahr dar. Sollte es ein Mann wie ihr Vater sein, würde er verlangen, daß die Göttin die Stämme zum Krieg aufrief…
Als Dieda nach Vernemeton zurückkehrte, stellte Eilan fest, daß ihre Trauer bei Dieda nur ein abfälliges Schulterzucken auslöste. »Sein Tod ist kein Verlust«, erklärte Dieda ungerührt. »Er war immer ein Werkzeug der Römer. Ich möchte nur wissen, wer den Druiden jetzt die Befehle gibt… oder dem Orakel.«
Seit der Geburt ihres Sohnes hatte sich Eilan in Diedas Gegenwart nicht mehr wohl gefühlt. Sie spürte die Kluft, die sie beide trennte, und fand keinen Weg, sie zu überwinden. Sie hatte das Gefühl, daß Dieda sie ablehnte und kritisierte, selbst wenn sie schwieg. Schließlich war sie außer Caillean die einzige, die wußte, daß Eilan mit einem Mann zusammengewesen war, nachdem sie ihre Gelübde abgelegt hatte. Wahrscheinlich war sie deshalb in Diedas Augen nicht würdig, das Amt der Hohenpriesterin zu bekleiden. Aber es erschien Eilan unmöglich, daß Dieda für ihren Vater überhaupt nichts empfand. Doch Dieda blieb hart, kalt und abweisend.
Eilan stand vor einem Rätsel, und sie vermißte Caillean, die ihr mit einem guten Rat hätte helfen und zwischen ihnen vermitteln können. Dieda war noch bei Eilan, als ihr die diensthabende Priesterin mitteilte, Cynric sei gekommen.
Die Raben sammeln sich also wieder…
Eilan ahnte nichts Gutes, aber sie begrüßte Cynric freundlich als ihren Bruder, nachdem Huw ihn hereingeführt hatte.
Cynric wirkt alt und so struppig wie ein wildes Pferd, dachte Eilan traurig. Seine sonst so straffe Haut war faltig und das Gesicht von Narben entstellt.
»Was führt dich in diesen Teil des Landes? Ich dachte, du bist im Norden und in Sicherheit, nachdem sich deine Pläne mit Brigitta und den Demeten nicht verwirklichen ließen.«
»Ich kann jederzeit kommen und gehen, wie es mir gefällt«, erwiderte er eine Spur zu selbstgefällig. »Ich bin ein freier Mensch, und dagegen kann auch der Legat von Deva nichts machen.« Er lachte zufrieden. »Ich bin zu schlau für die Römer!«
Eilan fand seine übertriebene Fröhlichkeit
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