Die Wälder von Albion
funkelten ihn so kalt an, daß er bleich wurde.
Ohne ihn zu beachten, stand sie abrupt auf und ging den Weg entlang. Der Saum ihres langen Gewandes schleppte über den Kies. Huw sprang auf und folgte ihr auf den Fersen. Auch Gaius erhob sich und lief hinter den beiden her.
Am Ende des Garten stand eine Hecke. Sie war gerade so hoch, daß man darüber hinweg auf einen Platz blicken konnte. Dort spielten mehrere Kinder mit einem Lederball. Nach einigen Augenblicken sah Gaius, daß ein Junge die Gruppe anführte. Er hatte lange Beine, war hoch aufgeschossen und schlaksig wie ein Füllen. Die Sommersonne hatte seine Locken rötlich gefärbt, aber darunter waren die Haare dunkel. Als er seinen Mitspielern aufgeregt etwas zurief, glich er für einen kurzen Augenblick so sehr Macellius, daß Gaius der Atem stockte.
Eilan sagte etwas, doch Gaius konnte den Blick nicht von dem Jungen wenden. Sein Herz klopfte so laut, daß man es bis nach Deva hören mußte. Gawen war voll von dem Spiel in Anspruch genommen. Er drehte nicht einmal den Kopf nach den drei Erwachsenen, die ihnen zusahen.
»Als ich Gawen in der Hütte zur Welt gebracht habe, wo bist du da gewesen?« fragte sie leise, aber ihre Stimme klang zornig. »Als ich darum gekämpft habe, ihn bei mir zu behalten, und in all den Jahren, in denen ich das Geheimnis gehütet und nie gewagt habe, ihn als meinen Sohn anzuerkennen, wo warst du da? Er weiß nicht, daß ich seine Mutter bin, aber er war bei mir immer sicher aufgehoben, und ich habe für ihn gesorgt.«
Ihre Worte klangen wie ein Urteil, als sie fortfuhr: »Und jetzt, da er beinahe erwachsen ist, tauchst du plötzlich auf und möchtest, daß ich ihn dir überlasse? Das werde ich nicht tun, Gaius Macellius Severus Siluricus. Mein Sohn heißt Gawen… . und er hat nichts mit Rom gemein!«
»Eilan!« flüsterte er wie vor den Kopf geschlagen. Er erinnerte sich noch genau an seine Empfindungen, als er den Säugling in den Armen gehalten hatte. Trotz ihrer harten und erbitterten Worte bewegten ihn dieselben Gefühle wie damals. Er empfand die Bindung so deutlich, daß sie ihn bis ins Innerste erschütterte.
»Bitte… Eilan!«
Sie achtete nicht auf sein Flehen, sondern drehte sich um und ging den Weg zurück. »Ich danke dir, Römer, für dein Mitgefühl«, sagte sie laut und hoheitsvoll. »Es war sehr freundlich von dir zu kommen… Ja, du hast recht. Der Tod von Ardanos ist für uns alle ein großer Verlust. Ich bitte dich, dem Legaten und deinem Vater meine Grüße zu überbringen.«
Gaius spürte Huw in seinem Rücken. Der Leibwächter ließ ihn nicht aus den Augen. Gaius wollte Eilan folgen, aber er konnte sich nicht von der Stelle rühren. In diesem Augenblick hob Gawen den Kopf und sah ihn kurz an. Dann köpfte er den Ball geschickt zur Seite und rannte weiter.
Gaius ging langsam den Weg zurück. Er hatte das Gefühl, als sei alles Licht dieser Welt für ihn erloschen.
Eilan hatte den Schleier wieder über das Gesicht gezogen. Er sah sie nur noch als einen dunklen Schatten in einer Tür verschwinden.
Als Gaius wieder auf dem Pferd saß, überließ er es dem Hengst, den Rückweg zu finden. Er fragte sich verzweifelt, warum alles so schiefgelaufen war. Warum war es zu dieser schrecklichen Auseinandersetzung gekommen? Er hatte doch die besten Absichten gehabt. Er liebte Eilan, und er liebte seinen Sohn.
Er war so erleichtert gewesen, Eilan offenbar unverändert wiederzusehen. Er hatte ihr sagen wollen, daß er sie noch immer liebte. Aber nun mußte er endgültig einsehen, daß sie in den vergangenen Jahren noch schlimmer als jene Furie geworden war, die er gesehen hatte. Als Hohepriesterin von Vernemeton war sie unnahbar; aus ihr sprach eine übernatürliche und allem Menschlichen entrückte Macht. Eilan war zu einer gefährlichen und bösartigen Frau geworden, die wie die alten römischen Kaiserinnen oder wie Boudicca aus Stolz und Machtbesessenheit über Leichen ging.
In diesem Augenblick mußte Gaius an Senara denken, die ihn so vertrauensvoll angesehen hatte. Das Mädchen war so gut und unschuldig… wie Eilan, als er sie kennenlernte… wie Eilan, bevor die Druiden aus ihr eine Rachegöttin gemacht hatten.
Ja, Eilan war eine Frau der Stämme und hatte ihn nie wirklich verstanden, aber Senara war zum Teil Römerin, so wie er zu einem Teil Römer war. Sie wurde bestimmt von denselben Konflikten und Unsicherheiten gequält wie er.
Ich muß sie für mich gewinnen, sonst bin ich verloren. Ich brauche
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