Die Waffen nieder!
und Tunnels. All diese menschliche Arbeit, die verloren geht! Sie haben gesehen , daß ein Herr in der Kammer die Plünderung des Großherzogtums Baden vorgeschlagen hat. Ach, daß ich nicht bei den Beduinen sein kann!«
»Ach,« rief ich, als ich diesen Brief zu Ende gelesen, »daß wir nicht fünfhundert Jahre später geboren sind – das wäre doch besser als die Beduinen.«
»So lange werden die Menschen nicht mehr brauchen, um vernünftig zu werden,« entgegnete Friedrich zuversichtlich.
Das wäre jetzt das Stadium der Proklamationen und der Armeebefehle.
Immer wieder die alte Leier und immer wieder das zu Beifall und Begeisterung hingerissene Publikum. Über die in den Manifesten verbürgten Wege wird gejubelt, als wären dieselben bereits erfochten.
Am 28. Juli erließ Napoleon III. vom Hauptquartier in Metz folgende Urkunde. Auch diese habe ich eingetragen – nicht etwa aus geteilter Bewunderung – sondern aus Zorn über das ewig gleich hohle Phrasenwerk.
»Wir verteidigen Ehre und Boden des Vaterlandes. Wir werden siegen. Nichts ist zu viel für die ausharrenden Anstrengungen der Soldaten Afrikas, der Krim, Chinas, Italiens und Mexikos. Noch einmal werdet ihr beweisen, was eine französische Armee vermag, die von Vaterlandsliebe durchglüht ist. Welchen Weg immer wir außerhalb unserer Grenzen einschlagen, wir finden dort die ruhmreichen Spuren unserer Väter. Wir werden uns ihrer würdig zeigen. Von unseren Erfolgen hängt das Schicksal der Freiheit und der Zivilisation ab. Soldaten – tue jeder seine Pflicht und der Gott der Schlachten wird mit uns sein.«
»Le Dieu des armées« durfte natürlich nicht fehlen. Daß die Führer besiegter Heere schon hundertmal dasselbe gesprochen, das hindert die anderen nicht, bei jedem neuen Feldzug wieder dasselbe zu sprechen, und damit dasselbe Vertrauen zu wecken. Gibt es etwas Kürzeres und Schwächeres als das Gedächtnis der Völker?
Am 31. Juli verläßt König Wilhelm Berlin und erläßt nachstehendes Manifest:
»Indem ich heute zur Armee gehe, um mit ihr für die Ehre und für die Erhaltung unserer höchsten Güter zu kämpfen, erlasse ich eine Amnestie für politische Verbrecher. Mein Volk weiß mit mir, daß Friedensbruch und Feindschaft nicht auf unserer Seite waren. Aber herausgefordert, sind wir entschlossen, gleich unseren Vätern und in fester Zuversicht auf Gott den Kampf zu bestehen zur Errettung des Vaterlandes.«
Notwehr, Notwehr: das ist die einzig statthafte Art des Tötens; daher rufen beide Gegner: »Ich wehre mich.« Ist das nicht Widersinn? – Nicht so ganz – denn über beiden waltet eine dritte Macht, die Macht des überkommenen alten Kriegsgeistes. – Nur gegen den sich zu wehren, sollten alle sich verbünden ...
Neben den obigen Manifesten finde ich in meinen roten Heften eine Eintragung, mit dem sonderbaren Titel überschrieben:
» Hätte Ollivier die Tochter Meyerbeers geheiratet, wäre da der Krieg ausgebrochen ?«
Die Sache verhielt sich so. Unter unseren Pariser Bekannten befand sich auch der Literat Alexander Weill, und dieser war es, der obige Frage aufwarf, indem er uns nachstehendes erzählte:
»Meyerbeer suchte einen talentvollen Mann für seine zweite Tochter und seine Wahl fiel auf meinen Freund Emil Ollivier. Ollivier ist Witwer. Er hat in erster Ehe die Tochter Liszts geheiratet, die der berühmte Pianist von der Gräfin d'Agoult (Daniel Stern) hatte, mit der er lange Zeit im ehelichen Verhältnis lebte. Diese Ehe war sehr glücklich und Ollivier hatte den Ruf eines tugendhaften Ehemannes. Er besaß kein Vermögen, aber als Redner und Staatsmann war er schon berühmt. Meyerbeer wollte ihn persönlich kennen lernen und zu diesem Zwecke gab ich – es war im April des Jahres 1864 – einen großen Ball, dem die meisten Zelebritäten der Kunst und der Wissenschaft beiwohnten und wo natürlich Ollivier, der von mir von der Absicht Meyerbeers unterrichtet war, die erste Rolle spielte. Er gefiel Meyerbeer. Die Sache war nicht leicht in Gang zu bringen. Meyerbeer kannte die unabhängige Originalität seiner zweiten Tochter, die nie einen anderen Gatten als den ihrer freien Wahl ehelichen würde. Es wurde verabredet, daß Ollivier nach Baden komme, um dort dem Mädchen zufällig vorgestellt zu werden, als Meyerbeer plötzlich vierzehn Tage nach diesem Ball starb. Ollivier war es – – erinnern Sie sich? – der ihm im Nordbahnhof eine Trauer- und Lobrede hielt. Nun behaupte ich, ja, ich bin dessen sicher: hätte
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