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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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durch die Mitteilung, welche dem Kabinett gemacht wurde, von der Weigerung, den Gesandten des Kaisers zu empfangen und mit ihm neue Auseinandersetzungen einzuleiten (also durch solche Dinge: mehr oder minder freundlichen Verkehr zwischen Regenten und Diplomaten, wird das Schicksal der Völker bestimmt ...). Infolgedessen hat die französische Regierung es für ihre Pflicht (!) gehalten, ohne Verzug an die Verteidigung (ja, ja, Verteidigung – niemals Angriff) ihrer verletzten Würde, ihrer verletzten Interessen zu denken und entschlossen zu diesem Zwecke alle Maßregeln zu ergreifen, welche von der ihr geschaffenen Lage geboten werden, betrachtet sie sich von jetzt an als im Zustand des Krieges mit Preußen.»
    Zustand des Krieges ... Bedenkt derjenige, der auf dem grünen Tuch seines Schreibtisches dieses Wort zu Papier bringt, daß er seine Feder in Flammen getaucht hat, in blutige Thränen, in Seuchengift? ...
    Also wegen eines für einen vakanten Thron gesuchten Königs und infolge einer zwischen zwei Monarchen gepflogenen Unterhandlung war diesmal der Sturm entfesselt? Sollte Kant doch recht haben mit seinem ersten Definitivartikel zum ewigen Frieden:
    »Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein?«
    Allerdings fielen durch Verwirklichung dieses Artikels manche Kriegsursachen weg, denn die Geschichte zeigt, wie viele Feldzüge dynastischer Fragen willen unternommen wurden, und alle Einsetzung monarchischer Gewalt beruht ja nur auf glücklicher Kriegführerschaft; indessen: auch Republiken sind kriegerisch. Der Geist ist es, der alte, wilde, der in den Völkern – seien sie nun in dieser oder jener Form regiert – Haß und Rauflust und Siegesehrgeiz anfacht.
    Ich erinnere mich, welch eine ganz eigentümliche Stimmung mich selber in jener Zeit erfaßte, da der deutsch-französische Krieg sich vorbereitete und dann losbrach. Diese Gewitterschwüle vorher, dieses gewaltige Sturmwehen nach der Erkältung ... Die ganze Bevölkerung war in Fieber, und wer kann solcher Epidemie sich entziehen? Natürlich – nach altem Brauch – wurde der Beginn des Feldzuges schon als Siegeszug betrachtet, das ist ja so patriotische Pflicht. »A Berlin – á Berlin!» jubelte es durch die Straßen und von den Imperialen der Omnibusse herab; die Marseillaise an allen Ecken und Enden: Le jour de gloire est arrivé! In jeder Theatervorstellung mußte die erste Schauspielerin oder Sängerin – in der Oper war es Marie Saß – im Jeanne d'Arc-Kostüm vor die Rampe treten und fahnenschwingend dieses Kampflied singen, welches vom Publikum stehend angehört, und bisweilen mitgesungen wurde. Auch wir haben das eines Abends mit angesehen, Friedrich und ich, und auch wir mußten von unsern Sitzen uns erheben. »Mußten« nicht aus äußerem Zwang, wir hätten uns in den Hintergrund der Loge zurückziehen können – sondern mußten, weil wir elektrisiert waren.
    »Siehst Du, Martha,« erklärte mir Friedrich, »solcher Funke, der da von einem zum anderen springt und diese ganze Menge in einem vereinten und erhöhten Herzschlag erheben macht – das ist Liebe –«
    »Meinst Du? Es ist doch ein hassendes Lied:
»Daß ihr unreines Blut
Unsere Furchen tränke –«
     
    »Tut nichts: vereinigter Haß ist auch eine Form von Liebe. Wo sich zwei oder mehrere in einem gemeinsamen Gefühl zusammentun, da lieben sie einander. Laß nur einmal einen höheren Begriff, als den der Nation, nämlich den der Menschheit und der Menschlichkeit, als gemeinsames Ideal aufgefaßt werden, dann –«
    »Ach wann wird das sein?« seufzte ich.
    »Wann? Das ist sehr relativ. Im Verhältnis zu unserer Existenzdauer – nie; im Verhältnis zu derjenigen unseres Geschlechtes – morgen.«
    Wenn ein Krieg ausgebrochen ist, so spalten sich alle Anhänger der neutralen Staaten in zwei Lager; die einen nehmen für diesen, die anderen für jenen Teil Partei: es ist da wie eine große schwebende Wette, bei der jeder mithält.
    Wir beide, Friedrich und ich, mit wem sollten wir sympathisieren, wem den Sieg wünschen? Als Österreicher waren wir »patriotisch« vollkommen berechtigt, unsere Überwinder aus dem vorigen Kriege diesmal als Überwundene sehen zu wollen. Ferner ist es auch naturgemäß, daß man jenen, in deren Mitte man lebt, von deren Gefühlen man unwillkürlich angesteckt wird, die größere Sympathie zuwendet – und wir waren ja von Franzosen umgeben. Dennoch: Friedrich war preußischer Abkunft, und waren nicht auch wir die

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