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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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»Allerdings« eine vortreffliche Antwort gegeben.«
    Tilling schüttelte den Kopf, als ob er sich aus einem Traume risse:
    »Ich? ... Vorhin? ... Ich erinnere mich nicht. Im Gegenteil: mir scheint, daß ich Ärgernis gegeben habe mit meiner Bemerkung über den Springauf – Hopsauf – oder wie der brave Schütze hieß.«
    »Hupfauf.«
    »Sie waren die einzige, der ich zu Dank gesprochen. Die Exzellenzherren hingegen habe ich mit meiner, für einen k. k. Oberstleutnant höchst unpassenden Äußerung natürlich verletzt ... ›hartes Herz‹, von einem, der so braves Bestschießen auf den Feind leistet: Lästerung! Soldaten sind doch bekanntlich – je kaltblütiger sie töten – desto gutmütigere Kumpane; es gibt keine sentimentalere Rührfigur im melodramatischen Repertoir, als den schlachtenergrauten, weichherzigen Krieger: keiner Fliege könnte der stelzfüßige Veteran etwas zu Leide tun.«
    »Warum sind Sie Soldat geworden?«
    »Mit dieser so gestellten Frage beweisen Sie, daß Sie mir ins Herz geschaut haben. Nicht ich – nicht der neununddreißigjähnge Tilling, der drei Feldzüge gesehen, habe den Beruf gewählt, sondern der zehn- oder zwölfjährige kleine Fritzl, der unter hölzernen Streitrossen und bleiernen Regimentern aufgewachsen und den sein Vater, der ordensgeschmückte General, und sein Onkel, der mädchenerobernde Leutnant, aufmunternd fragten: »Junge, was willst du werden? Was sonst als wirklicher Soldat, mit einem wirklichen Säbel und einem lebendigen Pferd?«
    »Für meinen Sohn Rudolf wurde mir heute auch eine Schachtel Bleisoldaten gebracht – ich werde sie ihm nicht geben. – Doch warum – als der Fritzl zum Friedrich sich entwickelt hatte, warum haben Sie da nicht einen Stand verlassen, der Ihnen verhaßt geworden?«
    »Verhaßt? Das ist zuviel gesagt. Ich hasse den Zustand der Dinge, der uns Menschen so grausige Pflichten auferlegt, wie das Kriegführen; da dieser Zustand nun aber einmal da ist – unvermeidlich da ist – so kann ich die Leute nicht hassen, welche die daraus erwachsenden Pflichten auf sich nehmen und gewissenhaft, mit Aufwand ihrer besten Kräfte, erfüllen. Wenn ich den Militärdienst verließe, würde darum weniger Krieg geführt? Gewiß nicht. Es würde nur an meiner Stelle ein anderer sein Leben einsetzen – das kann ich schon auch selber tun.«
    »Könnten Sie Ihren Mitmenschen nicht in einem anderen Stande mehr Nutzen bringen?«
    »Ich wüßte nicht. Ich habe nichts anderes gründlich gelernt als die Soldaterei. Man kann um sich herum immer gutes und nützliches wirken; ich habe Gelegenheit genug, den Leuten, die unter mir dienen, das Leben zu erleichtern. Und was mich selber betrifft – ich bin sozusagen auch ein Mitmensch – so genieße ich den Respekt, welchen die Welt meinem Stande entgegenbringt; ich habe eine leidlich gute Karriere gemacht – bin bei den Kameraden beliebt, und freue mich dieser Erfolge. Vermögen besitze ich keins, als Privatmann hatte ich weder die ... Druck unleserlich ... anderen noch mir zu nutzen – aus welchem Grunde hätte ich da meine Laufbahn aufgeben sollen?«
    »Weil Ihnen das Totschlagen widerstrebt.«
    »Wenn es gilt, das eigene Leben gegen einen anderen Totschläger zu verteidigen, so hört die persönliche Tötungsverantwortung auf. Der Krieg ist oft und ganz zutreffend ein Massenmord benannt worden, aber der einzelne fühlt sich nicht als Mörder. Daß mir jedoch der Kampf widerstrebt, daß mir die Jammerauftritte des Schlachtfeldes Schmerz und Ekel einflößen, das ist wahr. Ich leide dabei, leide intensiv ... aber so muß auch mancher Seemann während des Sturmes von der Seekrankheit leiden, und dennoch, wenn er ein halbwegs braver Kerl ist, hält er aus auf Deck, und wagt sich, wenn es sein muß, immer wieder hinaus ins Meer.«
    »Ja, wenn es sein muß. Muß der Krieg denn sein?«
    »Das ist eine andere Frage. Aber mitziehen muß der einzelne – und das gibt ihm, wenn auch nicht Lust, so doch Kraft zu seiner Amtserfüllung.«
    So sprachen wir noch eine Zeitlang fort – in leisem Ton, um die Piketspieler nicht zu stören – und wohl auch, um von ihnen nicht gehört zu werden, denn unsere getauschten Ansichten – Tilling schilderte noch einige Schlachtenepisoden und seinen dabei empfundenen Abscheu, ich teilte ihm die von Buckle aufgestellten Betrachtungen über den mit steigender Zivilisation abnehmenden Kriegsgeist mit – diese Reden paßten nicht für die Ohren des Generals Althaus. Ich empfand, daß es

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