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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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ein Zeichen großen Vertrauens von seiten Tillings war, mir über dieses Thema so rückhaltlos sein Inneres aufzudecken – es war da ein Strom von Sympathie von einer Seele zur anderen übergegangen ...
    »Ihr seid ja dort in sehr eifriges Geflüster vertieft!« rief einmal beim Kartenmischen mein Vater zu uns herüber. »Was komplottiert ihr denn?«
    »Ich erzähle der Gräfin Feldzugsgeschichten –«
    »So? Das ist sie schon von Kindheit an gewohnt. Ich erzähle dergleichen auch zuweilen. Sechs Blatt, Herr Doktor, und eine Quartmajor –«
    Wir nahmen unser Geflüster wieder auf.
    Plötzlich, während Tilling sprach – er hatte seinen Blick wieder in den meinen gesenkt und aus seiner Stimme klang so inniges Vertrauen – fiel mir die Prinzessin ein.
    Es gab mir einen Stich und ich wandte den Kopf ab.
    Tilling unterbrach sich mitten in seinem Satz:
    »Was machen Sie so ein böses Gesicht, Gräfin?« fragte er erschrocken; »hab' ich etwas gesagt, das Ihnen mißfallen?«
    »Nein, nein ... es war nur ein peinlicher Gedanke. Fahren Sie fort.«
    »Ich weiß nicht mehr, wovon ich sprach. Vertrauen Sie mir lieber Ihren peinlichen Gedanken an. Ich habe Ihnen die ganze Zeit über so offen mein Herz ausgeschüttet – vergelten Sie mir das.«
    »Es ist mir ganz unmöglich, Ihnen das mitzuteilen, woran ich vorhin dachte.«
    »Unmöglich? darf ich raten? ... Betraf es Sie?«
    »Nein.«
    »Mich?«
    Ich nickte.
    »Etwas Peinliches über mich, was Sie mir nicht sagen können? ... Ist es –«
    »Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf; ich verweigere jede weitere Auskunft!« Dabei stand ich auf und blickte nach der Uhr.
    »Schon halb zehn ... Ich werde dir jetzt adieu sagen, Papa –«
    Mein Vater schaute von seinen Karten auf.
    »Gehst du noch in eine Soiree?«
    »Nein, nach Hause – ich bin gestern sehr spät zu Bett gegangen –«
    »Und da bist du schläfrig? Tilling, das ist kein Kompliment für Sie.«
    »Nein, nein,« protestierte ich lächelnd, »den Baron trifft keine Schuld ... wir haben uns sehr lebhaft unterhalten.«
    Ich verabschiedete mich von meinem Vater und dem Doktor; Tilling bat sich die Erlaubnis aus, mich bis zu meinem Wagen zu geleiten. Er war's, der mir im Vorzimmer den Mantel umhing und der mir über die Treppe hinab den Arm reichte. Beim Hinuntergehen blieb er einen Moment stehen und fragte mich ernsthaft:
    »Nochmals Gräfin, habe ich Sie etwa erzürnt?«
    »Nein – auf Ehre.«
    »Dann bin ich beruhigt.«
    Indem er mich in den Wagen hob, drückte er fest meine Hand und führte sie an die Lippen.
    »Wann darf ich Ihnen meine Aufwartung machen?«
    »An Sonnabenden bin ich –«
    Er verneigte sich und trat zurück.
    Ich wollte ihm noch etwas zurufen, aber der Bediente schloß den Wagenschlag.
    Ich warf mich in die Ecke zurück und hätte am liebsten geweint – Tränen des Trotzes, wie ein erbostes Kind. Ich war auf mich selber wütend: wie konnte ich nur so kalt, so unhöflich, so beinahe grob mit einem Menschen sein, der mir so warme Sympathie einflößte ... Daran war diese Prinzessin schuld – wie ich die haßte! Was war das? ... Eifersucht? Jetzt blitzte mir das Verständnis dessen auf, was mich bewegte: ich war in Tilling verliebt – – –
    »Verliebt, liebt, liebt« rasselten die Räder auf dem Pflaster, »du liebst ihn,« leuchteten mir die vorüberfliegenden Straßenlaternen zu – »du liebst ihn,« duftete es mir aus dem Handschuh, den ich an meine Lippen führte – an der Stelle, die er geküßt.
    * * *
    Tags darauf trug ich in die roten Hefte folgende Zeilen ein: »Was mir gestern die Wagenräder und die Straßenlaternen sagten, ist nicht wahr, oder doch zum mindesten sehr übertrieben. Ein sympathischer Zug zu einem edlen und gescheiten Menschen! – ja; aber Leidenschaft? – nein. Ich werde doch mein Herz nicht so hinschleudern an jemand, der einer anderen gehört. Auch er empfindet Sympathie für mich – wir verstehen uns in vielen Dingen; vielleicht bin ich die einzige, der er seine Gedanken über den Krieg mitteilt – aber darum ist er noch lange nicht verliebt in mich – und ebensowenig darf ich es in ihn sein. Daß ich ihn nicht aufforderte, mich an einem anderen Tage als an den ihm so verhaßten Empfangstagen zu besuchen, mochte wohl nach dem vorausgegangenen, vertrauensvollen Gedankenaustausch etwas unfreundlich geschienen haben ... Aber es ist vielleicht besser so. Wenn nur erst ein paar Wochen über die geistigen Eindrücke, die mich so tief erschüttert haben, verstrichen

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