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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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unser Buchhändler das Buch geschickt und du sagtest noch damals, er werde bald von aller Welt vergessen sein.«
    »Was mich betrifft, so hab ich's auch vergessen.«
    »Alle Welt hingegen wird dadurch ziemlich in Aufregung versetzt,« sagte der Doktor. »Es wird aller Orten für und gegen die neue Abstammungslehre gestritten.«
    »Ach, Sie meinen wohl die Affentheorie?« fragte der General zu meiner Rechten. »Davon war gestern im Kasino die Rede. Die Herren Gelehrten kommen oft auf sonderbare Einfälle – der Mensch soll ursprünglich ein Orang-Utan gewesen sein!«
    »Allerdings,« nickte der Minister – (wenn Minister *** »allerdings« sagte, so war das ein Zeichen, daß er sich zu einer längeren Rede den Anlauf Nahm), »die Sache klingt etwas komisch; doch kann dieselbe nicht als Scherz aufgefaßt werden. Es ist eine nicht ohne Talent und mit dem Apparat fleißig gesammelter Tatsachen aufgestellte wissenschaftliche Theorie, welche allerdings von den Männern vom Fach schon genügend widerlegt worden, welche aber, wie alle abenteuerlichen Ideen – so abgeschmackt dieselben auch seien – einen gewissen Effekt hervorgebracht hat und ihre Verteidiger findet. Über Darwin zu disputieren, ist Mode geworden. Es wird nicht lange dauern, so kann man das Wort »Darwinismus« erfinden – allerdings wird dann die so benannte Theorie selber schon aufgehört haben, ernst genommen zu werden. Es ist ein Fehler, daß die Leute in Bekämpfung dieses englischen Sonderlings sich so erhitzen; dadurch wird seiner Lehre eine Wichtigkeit beigelegt, die ihr nicht zukommt. Namentlich ist es die Geistlichkeit, welche sich gegen die allerdings herabwürdigende Zumutung zur Wehr setzt, daß der nach dem Ebenbilde Gottes geschaffene Mensch jetzt plötzlich als dem Tierreich entstammend gedacht werden soll, eine vom religiösen Standpunkte aus allerdings höchst anstößige Annahme. Jedoch ist bekanntermaßen die kirchliche Verdammung einer unter dem Gewand der Wissenschaftlichkeit auftretenden Lehre, nicht imstande, der Verbreitung derselben Einhalt zu tun. Dieselbe wird erst dann unschädlich, wenn sie von den Vertretern der Wissenschaft ad absurdum geführt worden ist, was gegenüber der Darwinischen allerdings –«
    »Aber der Unsinn!« unterbrach mein Vater, welcher fürchten mochte, daß noch eine lange Kette von »allerdings« seine übrigen Gäste ermüden konnte, »der Unsinn: ›vom Affen, der Mensch!‹ Da genügt doch wohl der sogenannte gesunde Menschenverstand, um solche tolle Einfälle abzuweisen –, da braucht man doch nicht erst gelehrte Widerlegungen« ...
    »Nun, für gar so apodiktisch sicher möchte ich diese Widerlegungen doch nicht halten,« nahm nun der Doktor das Wort, »Es haben sich zwar Zweifel erhoben, aber die Theorie hat doch manches Wahrscheinliche für sich und es wird noch eine Zeit brauchen, bis die Gelehrten einig werden.«
    »Ich glaub', die Herren werden nie einig«, bemerkte der General zu meiner Linken, welcher in barschem Ton und im Wiener Dialekt zu sprechen pflegte, »die leben ja vom Disputieren. Ich hab' von der Affeng'schicht auch schon was g'hört. War mir aber zu dumm, um aufzupassen. Wenn man sich immer um alles Geschwätz kümmern sollt', mit dem uns die Sterngucker und Graspflücker und Froschhaxel-Untersucher ein X für ein U vormachen wollen – da müßt einem ja Hören und Sehen vergehen. Übrigens habe ich neulich in einer illustrierten Zeitung dem Darwin sein G'sicht g'sehen und das ist selber so affenmäßig, daß ich fast glauben möcht, sein Großvater is ä Schimpans g'wesen.«
    Diesem letzten, den Sprecher sehr befriedigenden Witz ließ derselbe ein schallendes Gelächter folgen, in welches mein Vater aus hausherrlicher Zuvorkommenheit einstimmte.
    »Gelächter ist allerdings auch eine Waffe,« sprach der Minister ernst, – »beweist aber nichts. Dem Darwinismus – ich benütze schon das neue Wort – kann man doch auch ernsthafte, auf wissenschaftlicher Basis ruhende Argumente siegreich entgegenstellen. Wenn man gegen einen Schriftsteller ohne Autorität, Namen wie Linné, Cuvier, Agassiz, Quatrefages, anführen kann, so muß dessen System zusammenstürzen. Andererseits läßt sich allerdings nicht leugnen, daß zwischen Mensch und Affe eine große Stammesähnlichkeit besteht und daß –«
    »Trotz dieser Ähnlichkeit ist die Kluft doch eine meilenweite,« unterbrach der sanfte General. »Läßt sich ein Affe denken, der den Telegraphen erfinden könnte? Die Sprache

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