Die Waffenbrüder von Antares
der Ostküste entfernt. Nach Nultys Angaben betrug die Entfernung für uns etwa zweihundertundsechzig Dwaburs Luftlinie – ›wie der Fluttrell fliegt‹, sagen die Hamaler. Diese gut zweitausend Kilometer verlängerten wir um ein Erhebliches, indem wir Umwege machten und unterwegs zahlreiche Städte besuchten. Dabei fand Nulty Gelegenheit, den Schock über die Vernichtung seiner Heimat zu überwinden. Er hatte keine Frau und keine Kinder gehabt; er war dem alten Amak und seinem Sohn Hamun verbunden gewesen. So folgten wir unserem mehr oder weniger ziellosen Weg und erlebten interessante Abenteuer, auf die ich im Augenblick nicht eingehen möchte, die aber einige ziemlich aufregende Geschichten ergäben.
Wieder einmal wurde ich daran erinnert, wie seltsam die Wege des Zufalls sind.
In den Grenzgebieten Hamals war es üblich, eine weiße Robe zu tragen, die von einer quastenbesetzten Kordel zusammengehalten wurde. Ich hatte mich auf diese Mode eingestellt und fand das Gewand sehr bequem. Der Saum reichte bis knapp über die Knie. Nulty, dessen Gewand mehr an ein Jackett erinnerte, bestand darauf, daß ich die Gold-Scarron-Kette umlegte, die wir dem toten Naghan ehrfürchtig abgenommen hatten. Da ich eine Vorliebe für die rote Farbe habe, kam mir das brillante Rot der Scarrons gerade recht, so daß ich mich dazu überreden ließ, die Kette zu tragen, ebenso wie den gekrümmten juwelenbesetzten Golddolch und die kostbaren Sandalen. Für Nulty war es ganz selbstverständlich, daß sich ein Amak so kleidete.
Es kam der Tag, da dieses Gewand eine große Rolle spielte. Wir flogen zusammen mit einer Pilgergruppe zu einem Schrein, der bemerkenswerte Heilkräfte besitzen sollte – verliehen durch die Zaubermacht der Knochen eines dort begrabenen Beng. Ein Beng ist eine Art kregischer Heiliger. Nulty wollte feststellen, ob der berühmte Beng Salter in der Lage war, einen Schmerz in seiner linken Hand zu beseitigen, deren Finger sich von Zeit zu Zeit abrupt verkrampften, so daß er die Hand gegen eine Wand schlagen mußte, um sie wieder zu entspannen.
Wir landeten vor dem einfachen Marmortempel vor einem Felseinschnitt, in dem ein Wasserfall plätscherte. In diesen Breiten Hamals ist Wasser überaus kostbar.
Der Hain duftete angenehm, und eine Aura des Friedens umgab diesen Ort, so daß niemand Einwände erhob, als die Wächter darauf bestanden, daß wir vor dem Eintritt unsere Waffen ablegten.
Normalerweise gab natürlich kein Kreger freiwillig sein Schwert aus der Hand. Doch im Angesicht der glattgesichtigen Wächter in ihren weiten Roben weigerte sich niemand. Wir waren etwa ein Dutzend, als wir den heiligen Schrein betraten und uns dabei sorgsam nach den Riten richteten. Drinnen war es kühl, schattig und ruhig, und ich spürte, daß der Glaube hier eine Chance hatte, seine Wunder zu tun.
Die Gläubigen machten sich daran, das Ritual zu absolvieren. Wir anderen, die wir nur Zuschauer waren, hielten uns im Hintergrund. Ich hoffte, daß Nulty Heilung finden würde.
Ein Gefühl des Friedens überkam mich – daran erinnere ich mich in aller Klarheit. Eigentlich sollte das Leben so gelebt werden. Es konnte doch nicht immer darum gehen, wild herumzuhetzen, sein Schwert zu schwingen und Lanzen zu schleudern, mit Blut und Tod als ständige Gefährten. Dieses angenehme und entspannende Gefühl war so stark, daß mir mein unbewaffneter Zustand zwar bewußt war, ich aber absolut nichts dagegen hatte.
Inzwischen erhoben sich die Betenden und wichen langsam zurück, und schon waren ein oder zwei Pilger enttäuscht, während andere angenehm überrascht eine Hand oder einen Fuß zu reiben begannen, den sie für gelähmt gehalten hatten. Nulty bewegte die Finger seiner linken Hand. Da er ohnehin seit einiger Zeit keinen Anfall mehr gehabt hatte, gab es keine Möglichkeit, die Wirksamkeit der Knochen des Beng auf der Stelle zu testen.
Ein überaus kostbar gekleideter Mann – ein Apim – stieß mit mir zusammen, als ich mich zum Ausgang wandte.
Der Mann trug ein blaues Hemd, dessen Vorderteil eine wahre Lawine von Spitzen zierte. Um seine Hüften war ein breiter hellgrüner Leibgurt gewickelt, und die grauen Hosen waren unter den Schuhen zusammengebunden. Über der rechten Schulter lag ein hell bestickter Waffengurt. Die Scheide war leer. All diese Einzelheiten nahm ich in Sekundenschnelle wahr – außerdem die Tatsache, daß sein Gesicht viel zu rot gefärbt war – die Augen waren ihm abstoßend aus den Höhlen getreten,
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