Die Waffenhändler von Hamor
Während er sich setzt, studiert er das Gesicht seines Gegenübers und spürt den Zweifel, der hinter dem freundlichen Lächeln verborgen liegt. Zweifel – damit kann Lorn besser umgehen als mit Feindseligkeit. »Ich nehme an, Euer Ritt hierher war eher regen- als schneereich.«
»Ja, Ser.« Gyraet lächelt ironisch. »Ich glaube, ich ziehe den Schnee vor, wenn er nicht zu tief ist.«
»Das tun die meisten Lanzenkämpfer.« Lorn macht eine kurze Pause. »Ihr kommt vom Verwunschenen Wald?«
»Ostseite, Ser.«
»Ist Major Weylt noch dort?«
»Ja. Es geht das Gerücht, dass er nach Fyrad versetzt werden und dort in Zukunft für die Wartung des südlichen Teils des Großen Kanals zuständig sein soll.«
»Er hat mir sehr geholfen, als ich in Jakaafra war«, erzählt Lorn.
Gyraet runzelt kurz die Stirn, dann lächelt er. »Ihr seid also dieser Hauptmann Lorn.«
Lorn lacht. »Ich glaube, ich war der einzige Lorn, der jemals an der Nordseite gedient hat.«
Gyraet nickt. »Major Weylt hat von der Riesenschlange erzählt, die Ihr getötet habt, und davon, wie Ihr eine Wasserechse mit einem Schwertstoß ins Auge erlegt habt.«
»Es wäre mir lieber, wenn man mich nicht nur für diese Leistungen im Gedächtnis behielte; das war damals eine Mischung aus unkluger Verwegenheit und dummem Zufall.«
Gyraet fügt etwas weniger euphorisch hinzu: »Man sagt auch, dass Ihr es mit mehr Baumstürzen zu tun hattet als irgendein Hauptmann jemals zuvor, aber dass Ihr weniger Lanzenkämpfer im Verhältnis zur Anzahl der getöteten Kreaturen verloren habt als jeder andere.«
»Das ist schon möglich. Ich weiß nichts über das jemals zuvor … aber in den fünf Jahren vor mir und während der Jahre, die ich dort war, traf das zu.«
Gyraet befeuchtet sich mit der Zunge die Lippen.
»Ist Sub-Major Hybyl noch dort?«, fragt Lorn wie beiläufig.
»Ja, Ser.«
Lorn ist sich nicht ganz sicher, wie weit er gehen oder wie viel er andeuten soll. Dann entscheidet er sich für eine andere Vorgehensweise. »Zweifellos seid Ihr von Kommandant Ikynd und Major Dettaur unterwiesen worden.«
»Kommandant Ikynd hat nur wenig gesagt.«
»Er sagte wahrscheinlich, dass ich gute Zahlen vorzuweisen hätte in Bezug auf getötete Barbaren und dass Ihr genau zu diesem Zweck hierher geschickt würdet.«
»So in etwa«, räumt Gyraet ein.
»Er drückte es vermutlich sehr unmissverständlich aus und fügte möglicherweise auch ein paar Worte darüber hinzu, dass Ihr besser vorsichtig sein solltet, weil ich bekannt dafür bin, nicht sehr zimperlich mit Offizieren umzugehen, die nicht mit mir einer Meinung sind.«
Gyraet sagt nichts darauf, aber Lorn erkennt beim Wahrlesen, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hat.
»Major Dettaur hingegen ging bestimmt mehr auf die Einzelheiten ein und meinte, dass zwar alle mit den Ergebnissen meiner Arbeit zufrieden seien, aber Ihr vorsichtig sein solltet, wie Ihr mit mir umgeht.«
»Nun ja … so in etwa.« Gyraet bemüht sich offensichtlich, nicht allzu nervös auf dem Stuhl herumzurutschen, und seine Augen meiden Lorns Blick.
»Ich könnte mich nun übertrieben freundlich geben und Euch überschwänglich willkommen heißen«, fährt Lorn fort, »und Euch täuschen und die Beschreibung in Zweifel ziehen, die von mir gegeben wurde. Das habe ich jedoch nicht vor, denn Ihr erscheint mir durchaus, klug. Ihr glaubt Euch in einer schwierigen Lage, weil Ihr dazu verdonnert worden seid, eine Kompanie zu befehligen, die dem Schlächter von Nhais untersteht.« Lorn lächelt. »Habt Ihr den Bericht über den Kampf bei Nhais gelesen?«
»Äh … nein, Ser.«
Lorn geht zur letzten Truhe der Reihe, öffnet diese und holt eine der Abschriften heraus, die er nach Inividra mitgebracht hat. Er schließt die Truhe und reicht Gyraet den Bericht. »Lest ihn. Jetzt. Ich warte so lange.«
»Ja, Ser.« Gyraet verbirgt seine Verwirrung nicht und nimmt das Schriftstück entgegen.
Während der Hauptmann liest, widmet sich Lorn noch einmal Dettaurs Schriftrolle. Anschließend legt er sie beiseite und wirft einen Blick aus dem Fenster. Der Unterton in den Worten seines alten Bekannten bereitet Lorn Sorgen. Er fragt sich, ob Dettaur so versessen auf Rache ist, dass er jede Gelegenheit nützt, um ihn in Rage zu bringen, oder ob er seine Schreiben so verfasst, um ihn zu voreiligen und unklugen Handlungen zu drängen.
Lorn runzelt die Stirn. Dettaur war zweifellos nicht in der Lage, Jerials Abscheu ihm gegenüber zu erkennen, aber
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