Die Waffenhändler von Hamor
…
Lorn wartet und lässt die Worte wirken, bevor er weiterspricht. »All diese Schriftrollen kamen im Laufe des Winters hier an. Heute Morgen habe ich eine weitere erhalten, die all diese Botschaften noch einmal wiederholt und eine weitere hinzufügt. Auch die möchte ich vorlesen.« Lorn räuspert sich und liest Dettaurs letzte Nachricht in voller Länge vor. Während er liest, wirft er kurz einen Blick in den Raum, und er spürt, dass die meisten Offiziere beunruhigt sind.
Nachdem die letzten Worte verklungen sind, legt Lorn das Schriftstück vor sich auf den Tisch. Er blickt nacheinander in die sechs Gesichter und studiert sie eingehend, bevor er spricht. »Ich werde die Rollen hier lassen, damit Ihr sie lesen und selbst feststellen könnt, dass ich nichts erfunden oder verzerrt habe.« Er macht eine Pause und lässt ein längeres Schweigen zu. Im Raum bleibt es eine ganze Weile still.
»Ser … stammen sie alle von Major Dettaur und Kommandant Ikynd?«, fragt Esfayl.
Lorn nickt.
»Wir haben im letzten Herbst weniger Lanzenkämpfer verloren als in vergleichbaren Jahreszeiten, die ich hier in Inividra verbracht habe«, berichtet Emsahl nachdenklich. »Und Ihr wollt uns weismachen, dass …«
»Nein. Das will ich nicht. Dies sind Briefe von Major Dettaur, die er im Namen von Kommandant Ikynd verfasst hat.«
»War noch nie ein richtiger Patrouillen-Kommandant …«, meint der sonst eher ruhige Cheryk. »Schlimmer als Sasyk, und der war schon ein saurer Birnapfel …«
Gyraet zieht die Augenbrauen hoch.
»Das war er wirklich nicht. Er hat sich immer den größten Barbaren ausgesucht und den Rest der Lanzenkämpfer vergessen.«
Lorn räuspert sich laut und deutlich. Cheryks Worte werden später, wenn Lorn weg ist, besser wirken. »Ich wollte, dass Ihr alle erfahrt, welche Art von Anweisungen ich aus Assyadt erhalte.« Er lächelt. »Ich möchte, dass Ihr bedenkt, dass man mir noch nicht verboten hat, Mehrkompanien-Patrouillen durchzuführen. Auch hat man mir noch nicht befohlen, einen aus Euren Reihen abzulösen. Strengstens angeraten, aber nicht befohlen.«
»Es hört sich jedoch ganz danach an, als würde der Befehl bald erteilt werden«, meint Emsahl.
»Wenn wir weiterhin so verfahren wie bisher, dann sicherlich, das stimmt. Wenn jeder von Euch wieder eigene Patrouillen reiten muss, werden wir aber schwere Verluste erleiden.« Lorn hält inne.
Emsahl lächelt. »Ich glaube, Ser, dass Ihr bereits eine Idee habt. Sonst hättet Ihr uns nicht hier einberufen.«
»Das stimmt, die habe ich.« Lorn nickt. »Ich habe etwas völlig anderes vor. Kommandant Ikynd sagte zu mir, wir könnten gehen, wohin wir wollen, wenn wir einmal auf Jeranyi-Gebiet sind. Ich glaube, es wäre eine gute Idee, den Angriffen dort ein Ende zu bereiten, wo sie gestoppt werden sollten – nämlich drüben in Jerans –, und ich glaube, dass uns das auch gelingen kann. Wir müssen es jedoch tun, bevor ich noch mehr Schriftrollen aus Assyadt erhalte.« Lorn hebt die jüngste hoch. »Diese ist heute hier eingetroffen. Es wird wahrscheinlich zwei Achttage dauern, bis wir neue Lebensmittelzuteilungen und damit neue Schriftrollen bekommen.«
»Ihr erwägt, nach Jerans zu reiten?«, fragt Gyraet.
Lorn nickt. »Wir hatten damals in Biehl bessere Chancen, als wir die Barbaren verfolgten und sie angriffen, als sie es nicht erwarteten. Wenn wir abwarten … werden sie immer noch größere Horden zusammentrommeln.«
»Ziemlich riskant …«, gibt Gyraet zu bedenken.
»Nicht so riskant, wie mit nur einer Kompanie gegen einhundertfünfzig Mann zu kämpfen«, hält Cheryk dagegen. »Und dazu wird es bald kommen, wenn der SubMajor diesen Weisungen folgt.«
»Was ist, wenn sie hier angreifen?«, fragt Esfayl.
»Das ist eine gute Frage.« Lorn lächelt. »Aber welcher barbarische Krieger wird es wagen, sein Heimatland zu verlassen, um Cyador anzugreifen, wenn die Weißen Teufel in Jerans sind und zuerst attackieren?«
»Nein … das wird sich keiner trauen«, bestätigt Emsahl. Dann grinst er. »Wann reiten wir los, Major?«
»Wie wäre es in zwei Tagen?« Lorn lächelt grimmig.
LIX
I m Schein der Schreibtischlampe sieht Lorn noch einmal die Landkarten durch, er prüft die Routen, die eingeplanten Stopps, die Stellen, an denen es Probleme geben könnte, und die Orte, die zerstört werden müssen. Er hat noch keinem der Offiziere die genauen Pläne mitgeteilt, nur dass eine unbenannte Stadt am Südfluss des Jeryna ihr erstes Ziel
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