Die Waffenhändler von Hamor
immerhin klug genug, um zu verstehen, wie genau Lorn die Lage in Biehl in den Griff bekommen konnte. Doch hat Lorn eine andere Wahl, als früh zu handeln, wenn die Feuerlanzenladungen immer seltener und die barbarischen Horden immer größer werden?
»Ser?«
Lorn blickt auf. »Entschuldigt. Ich habe gerade nachgedacht.« Er schweigt einen Augenblick. »Seid Ihr fertig?«
»Ja, Ser.«
»Wie Ihr seht, wurden viele der Einzelheiten des Berichts von anderen bestätigt, auch von verschiedenen Offizieren und Buchhaltern. Ich wollte, dass Ihr das lest, damit Ihr zumindest eine ungefähre Vorstellung von dem habt, was nördlich der Grashügel vor sich geht und warum Ihr hierher versetzt wurdet.«
»Major Dettaur hat die hamorischen Klingen mit keinem Wort erwähnt.«
»Wahrscheinlich hat er auch die hundert Hirten, Frauen und Kinder nicht erwähnt, die auf brutale Weise ermordet wurden.«
»Äh … nein, Ser.«
»Und ich bezweifle auch, dass er Euch darüber in Kenntnis gesetzt hat, dass wir hier für gewöhnlich viele Ersatzpferde haben – fast vierzig im Augenblick.«
»Nein, Ser.«
Lorn lächelt erneut, dann nickt er. »Das ist alles im Augenblick, Hauptmann. Ihr solltet mit den anderen Offizieren sprechen, besonders mit den älteren. Ich bin sicher, jeder von ihnen hat seine eigene Sichtweise.« Er steht auf. »Ich sehe Euch in Kürze beim Abendessen.«
»Ja, Ser.« Gyraet steht auf und verbeugt sich, bevor er geht.
Lorn stellt sich ans Fenster des Arbeitszimmers und betrachtet die dicken Flocken, die vereinzelt gegen die alten Fensterscheiben prallen.
Ob wohl die Ehrwürdigen mit denselben internen Machtspielen zu kämpfen hatten? Oder zogen sie alle an einem Strang, weil sie es mussten, um aus der Wildnis ein Land zu formen und dem Verwunschenen Wald Herr zu werden?
Irgendwie weiß Lorn, dass das, was er bei den Spiegellanzenkämpfern und insbesondere bei Dettaur erlebt, nichts Neues ist. Der melancholische Unterton in den alten Versen des Silberbüchleins bestätigt das.
Aber dennoch … der traurige Ehrwürdige gehörte zu denen, die die einzigartige Stadt des Lichts erbauten.
LVIII
L orn beobachtet vom Fenster des Arbeitszimmers aus zwei Wagen, die beladen mit Vorräten durch den leichten Regen über den Hof zum Lagerraum neben den Ställen rollen. Er ist froh, dass er bei dem Regen keine Patrouille hinausgeschickt hat. Der Schnee jenseits der Grashügel schmilzt zwar schon, aber das Chaos-Glas hat ihm gezeigt, dass die Barbaren nach wie vor in ihren Dörfern bleiben und sie noch nicht damit begonnen haben, sich zu sammeln.
Unglücklicherweise verfolgt ihn der unbekannte Magi’i noch immer. Offenbar versucht er herauszufinden, was Lorn zu tun gedenkt. Leider legen nun auch wieder mehr Händler in Jera an; etliche hamorische Klingen werden an Land geschafft und in den Lagerhäusern dort gehortet. Es wird nicht mehr lange dauern und die Klingen werden ihren Weg entlang der Nebenflüsse des Jeryna nehmen und immer noch mehr barbarische Abnehmer finden.
Lorn dreht sich stirnrunzelnd um, als es an die Tür zum Arbeitszimmer klopft. »Ja?«
»Ser … eine Schriftrolle.« Nesmyl verbeugt sich und reicht Lorn die Rolle.
»Danke.« Lorn nickt und nimmt sie entgegen.
Nesmyl geht hinaus und schließt die Tür. Lorn bricht das grüne Lanzenkämpfersiegel auf und liest.
Sub-Major Lorn, Spiegellanzenkämpfer, befehlshabender Kommandant in Inividra, der Winter geht dem Ende entgegen und mit Beginn des Frühlings müsst Ihr mit einer erhöhten Anzahl von barbarischen Angriffen rechnen. Kommandant Ikynd möchte Euch noch einmal seine Bedenken betreffend der Taktiken übermitteln, die Ihr in der Vergangenheit angewendet habt. Er möchte betonen, dass Patrouillen regelmäßig nur mit einer Kompanie durchgeführt werden sollen. Mehrkompanien-Patrouillen stellen ein viel zu großes Risiko dar, das den Barbaren erlauben könnte, eine unpatrouillierte Gegend anzugreifen, besonders jetzt.
Des Weiteren werden Eure Patrouillen-Kenntnisse dringend gebraucht, weshalb Euch eindringlich nähegelegt wird, das Kommando über eine Kompanie Eurer Wahl zu übernehmen, vorzugsweise über eine, die von einem Unteroffizier befehligt wird. Hierbei sollte auch angemerkt werden, dass Mehrkompanien-Patrouillen als eine bevorzugte Behandlung der Lanzenkämpfer, die Ihr persönlich befehligt, angesehen werden könnten. Auch dies ist ein Grund, warum Mehrkompanien-Patrouillen minimiert werden sollten …
Assyadt hat
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