Die Waffenhändler von Hamor
von Esfayl gehalten wird – und beauftragt dort einen Lanzenkämpfer, mit einem Gewicht an einer Schnur die tiefste Stelle unter der Brücke zu finden.«
»Ja, Ser.«
Diesmal haben sie Klingen gefunden, aber keine Aufzeichnungen.
»Emsahl setzt gerade den Hauptplatz in Brand. Die Gebäude darum herum werden bald Feuer fangen. Ihr müsst hier schnell zu einem Ende kommen«, sagt Lorn. »Nehmt Fackeln, um die Lagerhäuser anzuzünden.«
Gyraet lacht. »Wir sind fast fertig. Hier gibt es nicht sehr viel zu holen.«
»Gut. Lasst es mich wissen, wenn Eure und Cheryks Kompanie bereit zum Abmarsch sind.«
Lorn nimmt das Pferd herum und reitet zurück zum Stadtplatz. Während er nach Norden blickt zu den dünnen, schwarzen Rauchsäulen und den Flammen, die in Kürze alles hier verwüsten werden, und zur Brücke nach Jera, die er nur im Augenblick nicht sieht, kann Lorn es kaum glauben, dass sie Berlitos so einfach einnehmen konnten.
Sie mussten lediglich einige unbeholfene Soldaten überwältigen, über den Platz reiten, um die Lagerhäuser und Gebäude zu plündern und niederzubrennen, und können nun weiterreiten. Er fragt sich, ob er wohl einen großen Fehler begeht, wenn er weiter nach Jera drängt.
Aber die Waffen müssen schließlich von irgendwoher kommen und in die Hände derer gelangen, die sie brauchen, und Lorn muss diesen regen Klingenhandel stoppen. Wenn es in seiner Macht steht. Er schüttelt den Kopf.
LXVI
S üdlich des Lagers fließt der Fluss Jeryna friedlich dahin, die tiefen Wasser glänzen dunkel in der Abenddämmerung. Irgendwo in der Nähe des Lagers schimpft gerade wieder einer der allgegenwärtigen Verrätervögel auf einen Lanzenkämpfer. Ein paar Frühlingsmücken schwirren am Flussufer umher und am blauroten Himmel sind langsam die Sterne zu sehen.
Lorn öffnet die Satteltaschen und seine Finger gleiten über die kühle Oberfläche des silbernen Gedichtbandes. Selbst an diesem warmen Abend, nachdem die Sonne den ganzen heißen Tag lang auf die Satteltaschen gebrannt hat, fühlt sich das Buch kühl an. Für einen Augenblick lässt Lorn die Hand auf dem kühlen Einband ruhen und denkt an Ryalth – und Kerial.
Ein Lächeln huscht über sein Gesicht.
Dann holt er mit einem langen, stummen Seufzer die Seife heraus, die er mit hinunter zum Fluss nehmen wird, und schließt die Satteltaschen. Er erhebt den Blick in den klaren Nachthimmel und sucht nach Sternen, die er nicht finden wird, denn es gibt kein Schaubild, nach dem man bestimmen könnte, wo die Rationalen Sterne sind – oder waren.
Hat sich der ehrwürdige Schriftsteller so gefühlt wie Lorn, der nun auf den Rauch und die Flammen zurückblickt, die die bewaldete Stadt Berlitos einhüllen? Hat sich der Ehrwürdige auch gefragt, warum er tun musste, was er tat? Hat er sich ebenfalls gefragt, ob es überhaupt einen Unterschied macht, ganz gleich, ob er nun etwas unternimmt oder nicht?
Lorn wendet den Blick von den blassen Sternen der Dämmerung und lacht, ein leises, bitteres Lachen, doch für ihn laut genug.
Natürlich war sich der ehrwürdige Schreiber auch nicht sicher. Deshalb klingen so viele seiner Verse melancholisch, deshalb vermitteln so viele das Gefühl der Vergeblichkeit.
Lorn schüttelt den Kopf. Er kann nichts anderes tun als das, was er für das Beste hält, und er weiß, dass Klingen von anderswo nach Jera kommen und dass damit Lanzenkämpfer ohne triftigen Grund getötet werden, nur um den uralten Hass neu zu schüren und zu rechtfertigen – und um die Börsen der Händler bis zum Bersten zu füllen, die sich nicht um die Menschen kümmern, welche infolge ihres Handels ums Leben kommen.
LXVII
I m Morgenlicht wirbeln die braunen Wasser des Jeryna durch die Büsche, die am Ufer zur Hälfte überschwemmt sind. In der Mitte des Flusses bilden sich gelegentlich Strudel, die mal hier und mal dort erscheinen und wieder verschwinden. Es gibt keine flachen Stellen in Ufernähe, nur eine schlammige, braune Wassermasse, die gut zweihundert Ellen breit und dreißig tief ist. Beim Blick auf den Fluss, der zu seiner Linken fließt, kann Lorn einen graublauen Streifen am Horizont sehen – das Nordmeer. Wenn seine Karten und Berechnungen stimmen, befinden sie sich etwa noch zehn Meilen von Jera entfernt, und es wird nicht mehr lange dauern, bis sie die ersten Höfe und Häuser zu Gesicht bekommen werden. Lorn verlagert das Gewicht im Sattel des Wallachs und wirft einen Blick zurück auf die Uferstrasse und die
Weitere Kostenlose Bücher