Die Waffenhändler von Hamor
andersherum. Er holt tief Luft und konzentriert sich ein weiteres Mal auf das Glas vor sich und auf die Steuerung der Silbernebel.
XX
D er späte Frühlingsnachmittag gebärdet sich eher wie ein Sommertag, feucht und heiß ist es, als Lorn im Hof der Spiegellanzenkämpferkaserne auf sein Pferd steigt. Er betrachtet die Gebäude der Kaserne und den Innenhof und freut sich im Stillen, dass Laub und Schmutz weggefegt und die Steine sauber sind und sogar das Moos aus den Zwischenräumen der Pflastersteine im Hof verschwunden ist. Auch die alten Fenster glänzen wieder. Im Nordflügel der renovierten Unterkünfte sind nun zwanzig neue Rekruten untergebracht.
Etwa zehn dieser jungen Männer kämpfen auf dem offenen Platz vor dem Verwaltungsgebäude mit gepolsterten Klingen gegeneinander. Helkyt überwacht das Mittags-Training. Später wird Lorn zurückkehren, und dann ist er an der Reihe, die jungen Soldaten auszubilden.
Der Oberst treibt die braune Stute voran. Als die sechs Lanzenkämpfer durchs Tor reiten und die Straße in Richtung Hafen einschlagen, reitet der schwarzhaarige Tashqyt mit den markanten Gesichtszügen neben Lorn. Er ist der ältere der beiden Untertruppenführer und auch derjenige, den Lorn für eine Beförderung zum Haupttruppenführer vorschlagen wird, falls er eine zweite Kompanie in Biehl aufbauen wird.
Lorn verkrampft sich etwas im Sattel, als sich die vertraute Kälte eines Spähglases um ihn legt, und er fragt sich, wer ihn wohl beobachtet. Einer der Magi’i aus Cyad – Ciesrts Vater? Oder der Erste Magier? Wer es auch sein mag, er ist stark; die Überprüfung ist allerdings nur kurz und schon vorüber, noch bevor Lorn den Fuß des Hügels erreicht.
Ein einziges Schiff liegt an der äußeren Pier: Es ist ein Dreimaster in voller Takelung, das größte Schiff, das Lorn während der gesamten Jahreszeit, die er nun in Biehl stationiert ist, gesehen hat. Das Schild am Bug weist den Namen Lorava von Tyrhavven aus und eine Flagge aus Sligo hängt schlaff in der warmen Luft.
»Ich glaube nicht, dass ich hier schon einmal ein Schiff aus Sligo gesehen habe«, meint Lorn.
»Früher sind öfter sligonische Schiffe eingelaufen«, erwidert Tashqyt.
»Vor der Zeit des verschwundenen Oberbuchhalters?«
»Er war schon hier, als ich fast noch ein Kind war.«
Lorn zügelt die braune Stute am Anfang der Pier, dann bindet er sein Pferd an einen Balken, der ein Geländer stützt. Er wartet, bis die fünf anderen Lanzenkämpfer sich formiert haben. Dann marschiert Lorn, mit Tashqyt an seiner Seite und den vier anderen Lanzenkämpfern hinter sich, hinaus auf die Pier und zur Laufplanke des sligonischen Schiffes. Er geht an Bord.
Ein bärtiger Mann mit blassblauen Litzen auf seiner ärmellosen Tunika tritt vor. Lorns Augen funkeln wie Chaos-Feuer und der dritte Offizier weicht zurück.
»… legt euch nicht mit denen an …«
»… Weiße Teufel …«
Lorn beachtet das Gemurmel nicht.
Gleich hinter dem Quarterdeck stehen zwei ältere Lanzenkämpfer aus der alten Kompanie hinter Oberbuchhalter Neabyl, der gerade die Frachtbriefe zurückgibt, die ihm der Kapitän des Schiffes offenbar vorher ausgehändigt hat. Neben den Lanzenkämpfern steht der Jungbuchhalter Comyr. Der Kapitän – er hält eine Lederbrieftasche in der Hand – blickt plötzlich auf.
Neabyl dreht sich um, er runzelt die Stirn. »Oberst.«
»Kapitän.« Lorn macht eine kleine Verbeugung vor dem Schiffsmeister, dann vor Neabyl. »Oberbuchhalter. Es ist schon eine Weile her, dass ich ein Schiff aus Sligo gesehen habe, und ich dachte, ich mache Euch kurz meine Aufwartung.« Er lächelt höflich. »Ich bin Oberst Lorn, der Kommandant des Hafenpostens und der Garnison hier in Biehl.«
»Ich freue mich, Euch kennen zu lernen, Ser«, begrüßt ihn der Kapitän der Lorava. »Es liegt schon geraume Zeit zurück, dass wir hier angelegt haben.«
»Ich hoffe, wir werden Euch in den kommenden Jahreszeiten öfter sehen.« Lorns zweites Lächeln wirkt herzlicher als das erste. Sein Blick wandert zu Neabyl. »Habt Ihr den Zoll schon festgelegt?«
»Äh … ja, Ser.«
»Wurden alle Zölle ordnungsgemäß bezahlt?«
»Ja, Ser.«
»Wirklich ordnungsgemäß?«, fragt Lorn, während er den Buchhalter eindringlich ansieht und seine Chaos-Sinne gebraucht, um wahrzulesen.
»Ja, Ser. Das ist die Aufgabe eines Buchhalters.« Neabyls Augen sind eiskalt.
Lorn lächelt, ein Lächeln, das auch so gemeint ist. »Gut. Sehr gut.« Sein Blick wandert
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