Die Waffenhändler von Hamor
Vorsicht verübeln.«
»Das wird gewiss niemand tun«, stimmt Lorn zu.
Als Neabyl den großen Raum verlässt, wirft Helkyt Lorn einen Blick zu. »Ser … Ihr sprecht, als würde Flutak nicht mehr zurückkehren.«
»Aber nur weil Meister Neabyl handelt, als würde Flutak nicht zurückkommen. Sonst hätte es ja keine Schwierigkeiten gegeben. Neabyl könnte genauso gut Flutaks Machenschaften weiterfuhren. Da er dies nicht tut, können wir davon ausgehen, dass Flutak weggegangen ist und nicht mehr zurückkehrt.« Dann fügt Lorn mit leiser Stimme noch hinzu: »Vielleicht ist er verschwunden, weil in den Büchern nicht alles mit rechten Dingen zugeht.«
Helkyt schluckt.
»Wie ich Oberbuchhalter Neabyl schon gesagt habe, wir können nicht ändern, was gewesen ist – nur, was sein wird. Und unser Verhalten ändern.« Lorn lächelt weiter, während sie gemeinsam auf Neabyls Rückkehr warten. Er weiß, dass er das Risiko eingeht, dass Neabyl einige Goldstücke unterschlägt und Flutak dann für die fehlenden Gelder verantwortlich macht. Doch das kann er ohnehin nicht verhindern, nicht, ohne Gefahr zu laufen, mehr zu verraten, als klug wäre.
Auch wird er niemals offen sagen können, dass er eine Unschuldige getötet hat, weil er schnell gegen die Schuldigen und Korrupten vorgehen musste.
XIX
L orn gähnt, als er die Küche seines Gemachs verlässt, nachdem er das Geschirr vom Abendessen abgewaschen hat. Als er noch ein einfacher Lanzenkämpferoffizier unter dem Kommando von anderen war, hatte er sich um Geschirr nicht kümmern müssen, aber dafür auch nicht so viel Platz für sich selbst gehabt wie jetzt. Er gähnt ein zweites Mal auf dem Weg zum Arbeitszimmer. Der Tag und die letzte Nacht waren lang gewesen, besonders der Albtraum von der Tochter des Olivenbauern, deren Gesicht ihn stark an Myryan erinnert. Aber es gibt noch viel zu tun … viel mehr.
Trotzdem wandern seine Gedanken immer wieder zurück zu Flutak … und der jungen Frau. Mit der Frau hat es eine ganz andere Bewandtnis, wie seine Albträume bezeugen.
Flutaks Absichten und Taten waren völlig klar. Lorn hat vielleicht keinen Beweis, der einen Richter überzeugen könnte, aber er weiß um die Tiefe des Korruptionssumpfes, in dem der Buchhalter steckte. Neabyls Reaktion bestätigte das nur noch. Lorn weiß genau, dass man alles, was später geschehen wäre, ihm angelastet hätte, hätte er nicht so rasch etwas gegen Flutak unternommen. Ein Grund, der ihn beinahe jeden Verdachtes enthebt, ist die Tatsache, dass die meisten wohl niemals vermuten würden, dass ein neuer Offizier so schnell und entschieden handeln kann … oder dass er die Mittel dazu so bald nach seiner Ankunft zur Verfügung haben würde. Lorn holt tief Luft. Was auch immer daraus folgen wird, er hat es getan und kann diese Tat auch nicht mehr rückgängig machen. Auch weiß er nicht, was er hätte anders machen können.
Im Arbeitszimmer angekommen, schließt er die Fensterläden und holt das Chaos-Glas aus der Schublade des Schreibtisches. Er stellt es auf das glatte Holz und konzentriert sich, erst auf den Namen und dann auf das Bild von Baryat, dem Olivenbaum, dessen Tochter Lorn getötet hat. Die Silbernebel füllen das Glas und klären sich gemächlich.
Baryat – graubärtig und muskulös – sitzt an einem langen Tisch, links und rechts von ihm sitzen drei jüngere Männer, die seine Söhne zu sein scheinen. Der bärtige Mann fährt mit dem Daumen über die Klinge eines Messers, er sagt etwas. Lorn kann zwar die Worte nicht hören, aber er spürt die Heftigkeit darin. Einer der Söhne schlägt mit der Faust auf den Tisch.
Lorn sieht noch eine kleine Weile zu, bevor er das Bild loslässt. Danach tränen ihm die Augen und sein Kopf schmerzt. Eine Zeit lang sitzt er mit geschlossenen Augen vor dem Glas und denkt nach. Ist der Olivenbauer so aufgebracht, weil er die Tochter verloren hat oder weil er befürchtet, dass seine Machenschaften aufgedeckt werden? Wird Lorn es je erfahren?
Lorn ruht sich kurz aus, bevor er das Glas noch einmal benutzt. Seine Gedanken wandern von Baryat zu den Händlern und den Spiegellanzenkämpfern. Er denkt an Offiziere wie Major Maran, die ihn lieber tot und begraben sehen würden.
Schließlich richtet er sich auf, er weiß, dass er mehr üben muss, dass er geschickter werden muss im Umgang mit dem Glas. Denn er muss Länder sehen, in denen er noch nicht gewesen ist, und die Fähigkeit erwerben, diese Anblicke in Karten umzusetzen – und
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