Die Waffenhändler von Hamor

Er ist gerade bei den Abschnitten über Zölle und Verwaltungsvorschriften und muss verwundert den Kopf schütteln. Zwar wusste er, dass Juist als Richter für die Gemeinden nördlich des Verwunschenen Waldes amtierte, aber es war ihm bislang noch nicht zu Ohren gekommen, dass das Gesetzbuch des Kaisers dieses Recht jedem obersten Spiegellanzenkämpfer einer Region zuspricht. Und Lorn ist der oberste – und einzige Offizier – in einem Umkreis von zweihundert Meilen.
    Hätte er diese Gesetze gegen Flutak anwenden können? Kaum, denn er hätte eindeutige Beweise gebraucht, die er nicht hatte und auch nicht hätte bekommen können, gesetzt den Fall, er hätte Flutaks Anschläge überlebt. Lorn hegt keinen Zweifel daran, dass Flutak es nicht bei einem Versuch hätte bewenden lassen.
    »Ser?« Helkyt späht in Lorns Arbeitszimmer. »Schlaft Ihr auch gelegentlich, Ser?«
    »Genug, Helkyt, genug.« Lorn hält inne. »Wir werden dem Olivenbauer Baryat einen Besuch abstatten.«
    »Baryat, Ser? Er ist eine hoch angesehene Person hier in Biehl.« Der Haupttruppenführer tritt beunruhigt von einem Fuß auf den anderen und vermeidet es, Lorn in die Augen zu blicken.
    »Er hat aber auch bestochen und noch mit einigen anderen Taten gegen die Gesetze des Kaisers verstoßen.« Lorn hebt das Buch hoch, das er sich von Neabyl ausgeliehen hat.
    »Etwas tun und es dann beweisen … das sind zwei verschiedene Dinge, Ser«, bemerkt Helkyt.
    »Das stimmt. Deshalb müssen wir den Gesellen aufsuchen.« Lorn lächelt.
    Helkyt verlagert erneut das Gewicht und blickt zu Boden.
    »Du hast eine Gemahlin hier in Biehl, nicht wahr?«, fragt Lorn.
    »Ja, Ser. Dybynt und ich haben zwei Schwestern geheiratet. Meine Gaelya ist die Schwester von Daelya.«
    Der Oberst reibt sich das Kinn. »Wir nehmen die Erste Einheit mit und die Rekruten-Einheit, aber statte sie mit Uniformen aus, sie sollen keine Übungstuniken tragen. Feuerlanzen für die Erste Einheit, aber nicht für die Rekruten. Und eine Feuerlanze für mich.« Lorn runzelt die Stirn. »Am besten bleibst du hier, für den Fall, dass es anders kommt, als es sollte. Tashqyt soll die Einheit führen, solange ich dort bin.«
    »Ja, Ser, das ist wohl das Beste.«
    »Das meine ich auch. Nun geh und sag Tashqyt Bescheid. Die Einheit soll sich fertig machen. Und lass mich wissen, wann sie fertig zum Abmarsch sind.«
    »Ja, Ser.« Helkyt verbeugt sich und verlässt den Raum.
    Lorn liest einen Abschnitt des Gesetzbuches nach dem anderen, bis er zu einem Kapitel kommt, das die Beziehung der Bezirkswache zu den Spiegellanzenkämpfern beschreibt. Während der Ausbildung wurde den Unteroffiziersanwärtern beigebracht, dass selbst Bezirkswachkommandanten gegenüber den Spiegellanzenkämpfer-Offizieren einer Region Rechenschaft ablegen müssen, aber Lorn möchte noch einmal die genauen Worte und Vorschriften überprüfen.
    »Bei den schwärzesten aller Engel …«, murmelt er leise vor sich hin. Niemals hätte er gedacht, dass er die Gesetze des Landes einmal als Spiegellanzenkämpfer lesen würde. Oder das Gesetz einmal wie einen Säbel gebrauchen müsste.
    »Eher wie eine Keule oder einen Schlagstock«, brummt er in sich hinein.
    Er hat die Worte gefunden, die er gesucht hat, und legt gerade ein ledernes Lesezeichen zwischen die Seiten, als Helkyt zurückkommt.
    »Die Einheit ist formiert und wartet, Ser.«
    »Danke.« Lorn steht auf, befestigt den Säbel am Gürtel und geht hinaus in den Hof, wo die Kolonne in Zweierreihen Aufstellung genommen hat, die ausgebildete Einheit vorne, die Neulinge dahinter. Tashqyt hält die Zügel der gesattelten braunen Stute.
    »Danke.« Lorn übernimmt die Zügel und steigt auf, er berührt die Feuerlanze und überprüft den Säbel.
    »Ser?«, fragt der Truppenführer.
    »Zu den Ländereien des Olivenbauern und Gesetzesbrechers Baryat, auf der Straße, die am Hafen entlang nach Süden führt und in die niedrigen Hügel westlich von Biehl.«
    »Ja, Ser.«
    Lorn treibt die Stute an und führt die Kolonne hinaus durch die Tore und den Hang hinunter. Er beobachtet den Hafen, während die gemischte Kompanie in Richtung Süden reitet, aber die Piere sind leer, kein Handelsschiff weit und breit, selbst die hier beheimateten Küstenschoner lassen auf sich warten.
    »Gesetzesbrecher?«, fragt Tashqyt, nachdem die Kompanie den Hafen fast eine Meile hinter sich gelassen hat, als hätte er während der ganzen Zeit über das nachgedacht, was Lorn vorhin gesagt hat.
    »Ja.« Lorn fährt