Die Waffenhändler von Hamor
keinen Angriff mehr gegeben und in nächster Zeit wird es auch so schnell keinen mehr geben.«
»So zu handeln ist gefährlich.«
»Gar nicht zu handeln wäre noch gefährlicher gewesen, Kommandant. Und dann wäre auch die Gefahr für das Volk von Cyador größer gewesen.« Lorns Augen wirken leer, als er hinzufügt: »Ich nehme an, ich werde bald abgelöst. Früher oder später, aber höchstwahrscheinlich früher.«
Repyl runzelt die Stirn. »Habt Ihr daran auch schon gedacht, bevor Ihr losgezogen seid?«
»Ja. Aber nachdem ich bereits drei Jahre lang in den Grashügeln gedient habe und weiß, wie es dort aussieht, hatte ich keine andere Wahl.«
»Wirklich … sehr erstaunlich. Ein ehrlicher und tatkräftiger Oberst in Biehl. Einer, der seinem Land dient und nicht sich selbst.« Repyl schüttelt langsam den Kopf. »Ihr habt Recht, Oberst. Sehr wahrscheinlich werdet Ihr nicht hier bleiben.«
»Ich rechne nicht damit.« Lorn lächelt. »Ich wünsche Euch viel Glück mit meinem Nachfolger, wenn es so weit ist. Und … Ihr habt Eure Männer gut ausgebildet. Das meine ich ehrlich. Ich werde in meinem Bericht auch erwähnen, dass ich meine Befehlsgewalt ausgeübt habe und Ihr bereitwillig mit mir zusammengearbeitet habt, und dass unser Erfolg nicht ohne Eure Arbeit möglich gewesen wäre.«
»Das würde ich sehr begrüßen.«
Für einen Augenblick sehen sich die zwei an. Dann verbeugt sich Lorn. »Guten Tag, Kommandant.«
»Guten Tag, Oberst.«
Lorn dreht sich um, geht die Stufen hinunter und steigt wieder auf sein Pferd, um den langen Weg zurück in die Kaserne nach Biehl zu reiten. Danach kommt das Warten auf seinen Nachfolger, seine Versetzung oder das Disziplinarverfahren. Doch er wird gewisse Schritte unternehmen, um etwaige Disziplinarmaßnahmen zu verhindern. Diese beinhalten Schriftrollen an seinen Bruder, die Eltern, Ryalth, sowie Abschriften seines Kriegsberichts an die Kommandanten in Assyadt, Syadtar und Isahl, in denen er diese vor den sich häufenden barbarischen Angriffen und dem Überhandnehmen von hamorischen Waffen warnen wird. Er wird vielleicht noch andere Möglichkeiten finden, um gewährleisten zu können, dass er lediglich an einen anderen – wenn auch gefährlicheren – Posten versetzt und nicht öffentlichen Disziplinarmaßnahmen ausgesetzt wird – so hofft er zumindest.
Er erwägt sogar, einen Bericht an die Hand des Kaisers zu senden, obschon er nicht weiß, ob eine Schriftrolle, die so adressiert ist, die Schattengestalt überhaupt erreichen würde.
XL
I n der Stille der Dämmerung, zwei Tage nach seiner Rückkehr nach Biehl und nachdem er Dutzende von Briefen an seine Familie geschrieben hat, Berichte aufgesetzt und abgeschickt sowie Neabyl und Comyr dazu überredet hat, Anzahl und Herkunft der beschlagnahmten Waffen offiziell zu bestätigen, sitzt Lorn am Schreibtisch in seinen Gemächern, nippt an einem Glas Alafraan und blickt ins Chaos-Glas. Er kann keine weiteren Angreifer auf den Wegen und Pfaden ausmachen, doch im Hafen von Jera liegt wieder ein hamorisches Schiff.
Werden all seine Anstrengungen und all die Toten nur noch mehr Hass erzeugen und den Händlern erlauben, noch mehr Klingen in Jera zu verkaufen? Wird der Major-Kommandant auch außerhalb von Biehl Außenposten errichten müssen oder gar in Nhais, um die Stadt, Escadr und die Cupritminen zu schützen?
Er bläst den Atem langsam aus und lässt das Bild des Hafens von Jera los, denn im Augenblick kann er wenig tun, selbst wenn er eine weitere Gruppe von Barbaren entdecken würde, die durch die Grashügel oder in Richtung Nhais reiten. Doch dort sind keine Barbaren, das weiß er … noch nicht.
Nach einem weiteren Schluck Alafraan und mit einem Lächeln auf den Lippen schaut er erneut ins Glas, um einen kurzen Blick auf seine Händlerin zu werfen, die im oberen Säulengang seines Elternhauses zu Abend speist – allein mit Jerial. Die beiden lachen, aber das Gelächter verstummt, als Lorn bemerkt, dass sie – beide – den Chaos-Blick fühlen.
Jerial setzt ein verkrampftes Lächeln auf und murmelt etwas, Ryalth berührt mit dem Finger ihre Lippen.
Hunderte von Meilen entfernt lächelt Lorn, dann lässt er das Bild los. Er wundert sich erneut, dass seine Gemahlin das Glas fühlen kann. Seine Augen starren in die Leere der Dämmerung, doch dann erlöscht die Wärme, die das Bild von Ryalth ihm für einige Sekunden geschenkt hat, und er denkt erneut über die vergangenen Achttage nach.
Etwa einhundert
Weitere Kostenlose Bücher