Die Waffenhändler von Hamor
sie hier getan haben …«
Lorn hat keine Antworten; denn jede Antwort, die er vor dem Kampf zu bieten gehabt hätte, wäre falsch gewesen, und das sind auch all seine jetzigen Antworten. Er kann nur wieder einmal hoffen, dass er das geringere Übel gewählt hat, dasjenige, das Cyad in den kommenden Jahren am wenigsten kosten wird. Aber er weiß, dass die Kriege gegen die Jeranyi nun auch nach Biehl kommen werden, aufgeheizt durch alten Hass und neue hamorische Klingen. Schon bald wird es weitere Angriffe geben und noch mehr Zerstörung und noch mehr Tote – ganz gleich, was er getan hat.
Ist er nur eine Marionette der Zeit? Eine, die auf alte Hassgefühle antwortet? Oder ist sein Los noch ärger, weil er die Freiheit besitzt zu handeln, und sich dafür entschieden hat, ein ganzes Heer von Barbaren zu vernichten – in der Hoffnung, dadurch cyadorisches Leben zu retten, obwohl er gar nicht wissen kann, ob seine Handlungen zum Erfolg führen werden? Und ob er die Zeiten beeinflussen kann, etwas verändern kann im Vergleich zu dem, wie es ohne ihn gewesen wäre?
XXXVIII
L orns Spiegellanzenkämpfer und die Bezirkswachen reiten am Nordufer des Flusses Behla entlang, nach Westen in Richtung Ehyla. Sie sind sehr weit nach Süden und Westen geritten, als sie die Barbaren verfolgt haben; da bietet die staubige Uferstraße eine viel kürzere Rückreise, als wenn sie ihre eigenen Spuren nach Nordosten und entlang der Strände zurückverfolgen würden.
Lorn studiert den schlammigen Fluss, der meist gut hundert Ellen breit ist, aber nicht viel tiefer als vier oder fünf Ellen, außer an den wenigen Engpässen, wo die Tiefe vielleicht zwanzig Ellen erreichen mag. Die Weiden am Ufer hier sind größer und üppiger und vereinzelt mischen sich auch andere Bäume darunter. Immer öfter wird das Nordufer auch von kleinen Waldstücken gesäumt. Das Land jenseits des Südufers bleibt jedoch flaches Grasland, das immer öfter von Feldern durchsetzt ist.
Einige Marksteine trägt Lorn in seine Karten ein, ganz leicht und vorsichtig mit einem Kohlestift. Er hat jedoch seine Zweifel, ob er sie noch einmal brauchen wird. Sechzig Gefallene gegen eine Streitmacht von dreihundertfünfzig ist nicht übertrieben viel, aber die Verluste sind größer, als Biehl sie seit Generationen hinnehmen musste. Wegen der hamorischen Klingen, die sie auf die Ersatzpferde und die erbeuteten Rösser gebunden haben, wird es einen genauso lauten Aufschrei geben, und die Gründe, die nach seiner raschen Ablösung verlangen, werden reichlich sein. Denn wenn man ihm glaubt, dass die Jeranyi eine echte Gefahr bedeuten, muss der Major-Kommandant einen erfahreneren Offizier nach Biehl schicken; und wenn man ihm nicht glaubt, wird man ihn auch ablösen, um ihm eine Disziplinarmaßnahme aufbürden zu können.
Hinter ihm murmeln die Lanzenkämpfer leise vor sich hin, so wie schon während der letzten zwei Tage, als könnten sie nicht glauben, was passiert ist, und müssten ständig darüber reden.
»… glaub es immer noch nicht … Oberst … hat selbst bestimmt mehr als zwanzig niedergemetzelt …«
»… hast deine Sache auch gut gemacht …«
»Hat zugelassen, dass sie sie töten. Hübsches kleines Ding …«
Lorn zuckt zusammen, wendet jedoch den Blick nicht vom Fluss.
»… hat sie alle niedergemacht …«
»… weiß … aber irgendwie nicht richtig …«
»… lass sie frei und sie bringen noch mehr um … hätten wir nicht alle gekriegt. Das weißt du.«
»… du hast das Dorf gesehen … willst du, dass sie das deiner Familie antun?«
»… doch irgendwie nicht richtig …«
Nach einer Schlacht wie der letzten bezweifelt Lorn, dass überhaupt etwas richtig ist. Er wirft einen Blick nach Nordwesten. Zwei Tage sind sie nun schon unterwegs, seit sie Nhais verlassen haben, und bis nach Ehyla liegt noch gut ein Tagesritt vor ihnen, wenn nicht sogar zwei. Und dann werden seine neuen Probleme erst anfangen.
XXXIX
A ls die Spiegellanzenkämpfer und die Bezirkswachen sich vor dem Wachgebäude in Ehyla formieren, fällt ein leichter Nieselregen aus den niedrigen grauen Wolken, die vom Nordmeer her über den Fluss Behla geweht werden. Die Wolken sind zwar dunkel und werden immer noch schwärzer, aber der Regen hat bislang nicht einmal den Staub der Straße befeuchtet. Lorn reitet zu den Wacheinheiten und zügelt die Stute vor dem grauen Wharalt.
»Ser?« Der ältere Wachmann blickt den Oberst fest an.
»Du und deine Männer habt eure
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