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Die Wahlverwandtschaften

Die Wahlverwandtschaften

Titel: Die Wahlverwandtschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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übrigens leicht«, versetzte Eduard und nahm ein Licht, dem Grafen vorleuchtend eine geheime Treppe hinunter, die zu einem langen Gang führte.
    Am Ende desselben öffnete Eduard eine kleine Türe.
    Sie erstiegen eine Wendeltreppe; oben auf einem engen Ruheplatz deutete Eduard dem Grafen, dem er das Licht in die Hand gab, nach einer Tapetentüre rechts, die beim ersten Versuch sogleich sich öffnete, den Grafen aufnahm und Eduarden in dem dunklen Raum zurückließ.
    Eine andre Türe links ging in Charlottens Schlafzimmer.
    Er hörte reden und horchte.
    Charlotte sprach zu ihrem Kammermädchen: »ist Ottilie schon zu Bette?« »Nein«, versetzte jene, »sie sitzt noch unten und schreibt«.
    –»So zünde Sie das Nachtlicht an«, sagte Charlotte, »und gehe Sie nur hin: es ist spät.
    Die Kerze will ich selbst auslöschen und für mich zu Bette gehen«.
    Eduard hörte mit Entzücken, daß Ottilie noch schreibe.
    ›Sie beschäftigt sich für mich! dachte er triumphierend.
    Durch die Finsternis ganz in sich selbst geengt, sah er sie sitzen, schreiben; er glaubte zu ihr zu treten, sie zu sehen, wie sie sich nach ihm umkehrte; er fühlte ein unüberwindliches Verlangen, ihr noch einmal nahe zu sein.
    Von hier aber war kein Weg in das Halbgeschoß, wo sie wohnte. Nun fand er sich unmittelbar an seiner Frauen Türe, eine sonderbare Verwechselung ging in seiner Seele vor; er suchte die Türe aufzudrehen, er fand sie verschlossen, er pochte leise an, Charlotte hörte nicht.
    Sie ging in dem größeren Nebenzimmer lebhaft auf und ab.
    Sie wiederholte sich aber- und abermals, was sie seit jenem unerwarteten Vorschlag des Grafen oft genug bei sich um und um gewendet hatte.
    Der Hauptmann schien vor ihr zu stehen.
    Er füllte noch das Haus, er belebte noch die Spaziergänge, und er sollte fort, das alles sollte leer werden!
    Sie sagte sich alles, was man sich sagen kann, ja sie antizipierte, wie man gewöhnlich pflegt, den leidigen Trost, daß auch solche Schmerzen durch die Zeit gelindert werden.
    Sie verwünschte die Zeit, die es braucht, um sie zu lindern; sie verwünschte die totenhafte Zeit, wo sie würden gelindert sein.
    Da war denn zuletzt die Zuflucht zu den Tränen um so willkommner, als sie bei ihr selten stattfand.
    Sie warf sich auf den Sofa und überließ sich ganz ihrem Schmerz.
    Eduard seinerseits konnte von der Türe nicht weg; er pochte nochmals, und zum drittenmal etwas stärker, sodaß Charlotte durch die Nachtstille es ganz deutlich vernahm und erschreckt auffuhr.
    Der erste Gedanke war, es könne, es müsse der Hauptmann sein; der zweite, das sei unmöglich.
    Sie hielt es für Täuschung, aber sie hatte es gehört, sie wünschte, sie fürchtete es gehört zu haben.
    Sie ging ins Schlafzimmer, trat leise zu der verriegelten Tapetentür.
    Sie schalt sich über ihre Furcht.
    Wie leicht kann die Gräfin etwas bedürfen! sagte sie zu sich selbst und rief gefaßt und gesetzt: »ist jemand da?« Eine leise Stimme antwortete: »ich bins«.
    –»Wer?« entgegnete Charlotte, die den Ton nicht unterscheiden konnte.
    Ihr stand des Hauptmanns Gestalt vor der Tür.
    Etwas lauter klang es ihr entgegen:» Eduard!« Sie öffnete, und ihr Gemahl stand vor ihr.
    Er begrüßte sie mit einem Scherz.
    Es ward ihr möglich, in diesem Tone fortzufahren.
    Er verwickelte den rätselhaften Besuch in rätselhafte Erklärungen.
    »Warum ich denn aber eigentlich komme«, sagte er zuletzt, »muß ich dir nur gestehen.
    Ich habe ein Gelübde getan, heute abend noch deinen Schuh zu küssen«.
    »Das ist dir lange nicht eingefallen«, sagte Charlotte.
    »Desto schlimmer«, versetzte Eduard,» und desto besser!« Sie hatte sich in einen Sessel gesetzt, um ihre leichte Nachtkleidung seinen Blicken zu entziehen.
    Er warf sich vor ihr nieder, und sie konnte sich nicht erwehren, daß er nicht ihren Schuh küßte, und daß, als dieser ihm in der Hand blieb, er den Fuß ergriff und ihn zärtlich an seine Brust drückte.
    Charlotte war eine von den Frauen, die, von Natur mäßig, im Ehestande ohne Vorsatz und Anstrengung die Art und Weise der Liebhaberinnen fortführen.
    Niemals reizte sie den Mann, ja seinem Verlangen kam sie kaum entgegen; aber ohne Kälte und abstoßende Strenge glich sie immer einer liebevollen Braut, die selbst vor dem Erlaubten noch innige Scheu trägt.
    Und so fand sie Eduard diesen Abend in doppeltem Sinne.
    Wie sehnlich wünschte sie den Gatten weg; denn die Luftgestalt des Freundes schien ihr Vorwürfe zu machen.
    Aber

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