Die wahre Lehre - nach Mickymaus
behaupten, ich hätte Sie in den Staaten getroffen oder in Südamerika. Sagen Sie es mir, und ich lasse Sie in Ruhe.«
»Er ist tot«, sagte sie schließlich.
»Ermordet?«
Keine Antwort.
»Von Ihnen?«
»Nein! Ich flehe Sie an, Herb, lassen Sie mich in Ruhe. Warum wollen Sie alles zerstören? Wir sind glücklich so …«
»Wir? – Das Kasperle ist für Sie wie ein Kind, nicht wahr?«
Sie sah mich an, Tränen in den Augen. »Ja, es ist mein ein und alles.«
»Glauben Sie manchmal, daß es lebendig ist, Maud?«
»Ja!« stieß sie hervor. »Jetzt wissen Sie es, ich bin eine Verrückte. Und nun hauen Sie ab. Vergessen Sie mich.«
»Wie könnte ich? Meine Nase wittert ein Geheimnis, und nichts, das werden Sie verstehen, reizt mich mehr als ein Geheimnis. Wer sind Sie, Maud? Doch keine Artistin? So einfach kommen Sie mir nicht davon.«
»Das fürchte ich auch.« Sie seufzte. »Ich habe es befürchtet, seit ich weiß, wer Sie sind. Versprechen Sie mir, daß Sie alles für sich behalten, was ich Ihnen erzähle?«
»Sie verlangen sehr viel von mir.«
»Es ist eine verrückte Geschichte, gewiß, aber keine für FOKUS.«
»Überzeugen Sie mich. Wenn Sie mich überzeugen, werde ich schweigen wie ein Grab.«
»Nun gut. Aber keinerlei Aufzeichnungen, versprechen Sie wenigstens das?«
»Ich habe nichts bei mir, die Geräte liegen alle im Wagen. Sie können sich überzeugen.«
Sie überzeugte sich tatsächlich, sie tastete mich ab wie ein Bulle einen gerade festgenommenen Gangster. Dann legte sie sich wieder ins Gras, verschränkte die Hände unter dem Kopf und sah in den Himmel.
»Sie haben recht«, begann sie, »ich bin eigentlich keine Artistin. Nicht einmal das. Ich stamme aus einer gutbürgerlichen Familie. Vater war Kybernetiker, Mutter Biotechnologin, nichts Bedeutendes, Fußvolk, aber ehrgeizig. Als ich gerade sechzehn war, starben meine Eltern bei einem Unfall. Von einem Tag zum anderen stand ich mittellos da. Arbeiten? Ich hatte nichts gelernt. Und eine Lehrstelle? Sie wissen doch, wie es damit aussieht. Ich hatte keine Beziehungen. Meine Eltern hatten ganz für ihre Arbeit gelebt, da waren nicht mal Freunde, die mir jetzt helfen konnten, keine Verwandten, nur eine Großmutter, die selbst Hilfe brauchte. Unterstützung bekam ich nicht, ich war ja schon erwerbsfähig, nur ein paar Mark Sozialhilfe. Also Wohnung verkaufen, eine billige Bude, hier und da mal ein Tagesjob. Dann kam Frank.« Sie hielt mir ihr Glas hin. »Meine erste Liebe. Die große Liebe, von der jeder Teenager träumt. Er sah blendend aus, fuhr einen Superwagen, hatte eine phantastische Wohnung, es war wie ein Sechser im Lotto. Drei Wochen lang. Dann sagte er, er sei pleite, müsse alles verkaufen, und wir müßten uns trennen. Es sei denn …«
»Sie liebten ihn so sehr, daß Sie ihm helfen würden«, ergänzte ich. »Er wollte Sie auf den Strich schicken?«
»Nicht auf den Strich. Wahrscheinlich hätte ich selbst das damals für ihn getan. Nein, Frank machte mir den Vorschlag, Mietmutter zu werden. Zwei, drei Jahre, sagte er, und wir sind aus allem heraus. Ein Kind zu bekommen, ist doch kein Problem für eine junge gesunde Frau. Leichte Arbeit. Was willst du sonst machen? Gelernt hast du nichts, nicht einmal kochen. Wie recht er hatte. Ich konnte nichts, und ich besaß nichts als meinen Körper. Hab keine Angst, sagte er, du sollst dich nicht von wildfremden Männern schwängern lassen, eine Viertelstunde beim Doktor, dann mußt du nur noch das Kind austragen. Und abkassieren. Er gab mir Prospekte von Anwaltskanzleien, die Mietmütter vermitteln. Eine Monatsgage, von der ich nur träumen konnte, dazu eine mir geradezu fürstlich erscheinende Erfolgsprämie. Warum nicht, dachte ich schließlich. Es ist ein anerkannter Job. Hunderte tun ihn. Wäre ich lieber auf den Strich gegangen.«
Ihr Glas war schon wieder leer. Ich ging zum Wagen, um eine neue Flasche zu holen. Eine Mietmutter also. Ich erinnerte mich noch gut an die heißen Debatten an der Uni. Damals ging es darum, ob Mietmutterschaft als Gewerbe staatlich sanktioniert werden sollte. Mutterschaft als neue Form der Prostitution, sagten die Gegner, pervers sei das, die Gebärmutter wie einen Leihwagen zu vermieten, die Eierstöcke ›abzuernten‹, Frauen zu Gebärmaschinen zu degradieren, wie Zuchtsauen zu behandeln … Na und, sagten die anderen, Männer gehen doch schon lange als Zuchtbullen. Wer hat noch was gegen Samenspender? Wo bleibt die Gleichberechtigung? So wie jeder
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