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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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lagen. Ich gab ein Fünfmarkstück, und Kasperle sagte Dankeschön. Er wirkte tatsächlich müde, wie er sich in Mauds Arme schmiegte, aber sie hielt die Puppe wohl so, damit niemand sie anfaßte. Als keine Hand sich mehr reckte, verschwand Maud mit ihm im Wohnwagen.
    In diesem Augenblick wußte ich es: Nicht bei Pierre sollte Kasperle auftreten, sondern in meiner Sendung. Als Moderator zwischen den Beiträgen. Damit war ich alle Sorgen mit dem Moderator los. Es gab kaum einen Journalisten, der gut genug dafür war und sich auf Dauer mit seiner Rolle zufriedengab, und, noch wichtiger, ein Kasperle konnte Dinge aussprechen, die keinem seriösen Moderator gestattet wurden, konnte freche, sogar dreiste Bemerkungen machen, Anspielungen … Ich dankte dem Zufall, der mich nach Mieshof verschlagen hatte.
    Es dauerte eine Weile, bis Maud aus dem Wohnwagen kam und sich daranmachte, die Bühne zusammenzulegen. Ich wartete, bis sie fertig war.
    »Ich möchte Sie sprechen«, sagte ich.
    Sie sah mich verstört an. »Polizei?« fragte sie fast unhörbar. Ganz offensichtlich hatte sie Angst. Hoffentlich wurde sie nicht wegen eines Verbrechens gesucht, dann war mein schöner Plan im Eimer. Wahrscheinlich stimmt etwas nicht mit ihrer Lizenz, dachte ich, deshalb tingelt sie auch über die Dörfer.
    »Nein«, versicherte ich, »ich bin Herb Kienzle. Vom Fernsehen.«
    »Etwa der Kienzle von FOKUS?« Sie sah sich meinen Presseausweis ganz genau an. »Ich hatte Sie mir jünger vorgestellt«, sagte sie. »Jetzt verstehe ich auch, warum Sie nie selbst in Ihren Sendungen auftreten – mit der Glatze und dieser Nase!«
    »Es ist weniger meine Eitelkeit«, sagte ich, »aber wenn jemand mein Gesicht kennt, würde ich kaum noch in die Nähe meiner Klienten gelangen.«
    »Klienten?« Sie lachte. »Eher wohl Opfer. Aber mir gefällt, was Sie machen. Nicht nur wegen der Sensation. Es ist so selten, daß einer unerschrocken die Wahrheit sagt. Warum wollen Sie mich sprechen?«
    »Ich bin begeistert von Ihrem Spiel. Ich möchte Ihnen ein Angebot machen.«
    »Ich will nicht ins Fernsehen.«
    »Sie würden viel Geld verdienen. Ich denke an ein Engagement auf Dauer.«
    »Vielen Dank für das Angebot«, sagte sie, »aber es geht nicht. Vergessen Sie es.«
    »Wie kann ich?« erwiderte ich. »Sie sind einfach zu gut, Maud. Viel zu gut, um nur in solchen Nestern aufzutreten. Ich biete Ihnen die Chance Ihres Lebens …«
    »Nein, endgültig nein.«
    »Warum wollen Sie sich nicht wenigstens mein Angebot anhören? Ich will Sie haben, ich werde nicht lockerlassen.«
    Sie sah mich nachdenklich an. »Also gut, aber nicht hier. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Während ich zusammenpacke, holen Sie einen kleinen Imbiß, dann fahren wir ein Stück vor die Stadt, einverstanden?«
    Ich überlegte nicht lange. Und Maud war mir im Moment wichtiger als alles andere. Vielleicht ist es sogar gut, dachte ich, wenn du erst abends in Traunstein ankommst. Weißenbacher war passionierter Blumenzüchter, vielleicht würde er mich kurz abfertigen, wenn ich ihn in seinem Garten störte.
    Maud wartete bereits hinter dem Lenkrad, als ich den kleinen Platz in dem Gewirr von Einbahnstraßen wiedergefunden hatte. Wenige Kilometer hinter dem Ort bog sie in einen Landweg ein, der über ein paar Hügel zu einer Mulde am Waldrand führte. Ein idealer Platz für ein Picknick, weltabgeschieden, nichts als Bäume und Himmel, Blumen und Gräser und eine Stille, die man schon unwiederbringlich verloren glaubte.
    Ich hatte reichlich, aber nicht extravagant eingekauft. Bei einfachen Frauen, das war meine Erfahrung, läuft man leicht auf, wenn man den Großkotz spielt. Also keine Trüffelpastete und Straßburger Gänselebercreme, weder geräucherten Lachs noch Hummer, dafür eine Auswahl an Schinken und Käse. Sie fragte, ob sie von jeder Sorte eine Kostprobe für das Abendessen beiseite legen dürfe.
    »Bitte«, sagte ich, »was übrigbleibt, gehört ohnehin Ihnen.«
    Sie legte trotzdem eine Scheibe von jeder Schinken- und Käsesorte auf einen Teller und brachte ihn in den Wohnwagen.
    Ich hatte sie falsch eingeschätzt, Maud wollte weder Cola mit Whisky noch Juice mit Wodka, sondern Fachinger Brunnen und den leichten, extratrockenen Weißwein, ›um jedem Käse gerecht zu werden‹ – eine Formulierung, die eher zu einem Gourmet als einer Landfahrerin paßte. Ich hatte sie unwillkürlich für eine einfache, ungebildete Frau gehalten, wie andere Artisten, die ich kannte, doch als sie sich ins

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