Die wahre Lehre - nach Mickymaus
du wieder.
Das zeigen die Uhren des Glaubens an. Das sehen die Augen des Glaubens.
Vier Minuten.
Sie stürzt aus dem Teleporter, taumelt über den feuchten, glitschigen Beton, prallt gegen einen Betonpfosten. Sie spürt keinen Schmerz. Sie brennt. Sie steht in hellen Flammen, und in ihrem eigenen Licht sieht sie weiter als je zuvor, bis ins Herz aller Dinge. Der verdreckte Betonboden des Parkhauses ist für ihr Auge des Glaubens durchsichtig wie Glas. Obi, die Helle, beugt sich über sie, murmelt Worte der Besorgnis und des Trostes, die sie nicht verstehen kann, und das Auge des Glaubens streift Fleisch und Knochen und Blut ab und enthüllt den Kern ihres Lebens. Zed sieht das Licht ihrer Freundin neben dem ihren, und es gleicht dem Schein einer Kerze neben einem hell lodernden Ofen. Und sie sieht Aurelians Seele, wie verworrener schwarzer Draht.
»Du mußt es machen.«
Ihr Mund ist voll von Sternen und Licht.
»Zed, bist du in Ordnung? Die Art, wie du aus dem Teleporter gekommen bist – bist du sicher, daß alles okay ist? Hast du dir weh getan?«
Was redet sie da? Was redet sie da nur?
»Nein. Nicht weh getan. Alles in Ordnung. Alles okay. Du mußt es machen. Obi, du mußt es auch machen.«
»Hesus, ich weiß nicht so recht, Zed, es hat so wahnsinnig lang gedauert, bis du durch diese Maschine gegangen bist, daß ich richtig Angst bekommen habe; ich dachte schon, du kommst überhaupt nicht mehr wieder! Du weißt, was Aurelian gesagt hat …«
»Du mußt es tun. Es ist der Weg nach vorn. Der große Sprung in eine neue Ebene der Geistigkeit; zu wissen, daß du die Angst überwinden kannst und nichts dich jemals mehr erschrecken wird.«
»Ich weiß nicht so recht, Zed, die Wahrscheinlichkeit …«
»Wenn du stirbst, stirbt auch deine Furcht und wird nicht wiedergeboren. Das haben wir bisher falsch gemacht, wenn wir durchgegangen sind, wir haben unsere Angst nicht mitgenommen. Doch wenn es länger dauert, kannst du diese Angst gleich beim ersten Schritt mitnehmen, und sie wird aufgelöst. Mach’s, Obi. Du mußt es machen!«
»Meinst du, ich sollte?«
»Du mußt!«
Und das helle Mädchen, das sich Obi nennt, streift alle menschliche Heuchelei von sich ab und wird ganz sie selbst, neunzehn Jahre alt, blond, ein bißchen zu dick, ein bißchen verängstigt in dem blauen Licht.
»Mach’s!« sagt Zed. Das einzige, was sie mit ihrem Auge des Glaubens nicht sehen kann, ist das, was hinter dieser Fläche aus blauem Licht liegt. Erster Schritt zweiter Schritt dritter Schritt vierter. Obi geht durch das Feld und wird nach dem Zufalls-Effekt verteilt. Die Uhren des Glaubens laufen. Zehn Sekunden. Zed läßt ihre Company-Klamotten dort liegen, wo sie sind, zusammengeknüllt am feuchten Boden. Es ist ihr gleichgültig. Alles ist ihr gleichgültig. Zwanzig Sekunden. Sie beobachtet den Transmitter, doch innerlich ist sie vollkommen in Anspruch genommen von der Auswertung ihrer eigenen Erfahrung. Dreißig Sekunden. Eine halbe Minute. Donner knistert, Blitze, die die nadelspitzen Türme der Corporadas aus der Stratosphäre auffangen, setzen sich fort, hinunter durch die Industriezonen bis zur Erde selbst, ins Barry-O. Nichts. Überhaupt nichts. Eine Minute. Ihr Auge des Glaubens durchdringt die dahinziehenden Wolkenschichten, und die mächtigen Corporadas werden zu gläsernen Konfektschalen, gefüllt mit kleinen kreischenden Kristallfigürchen, ängstliche Glaskobolde, die auf den Hammer warten, der sie endgültig zerschmettern wird. Nichts. All die Macht und Hochnäsigkeit der Company und ihrer Oberstadt: nichts. Eine Minute dreißig Sekunden.
»Weiß du, er frißt viel Energie, wenn er so lange läuft«, erklärt Aurelian. Zed sieht durch ihn hindurch bis zu seiner sich schlängelnden Reptilienseele. Nichts.
»Wir bezahlen dich gut für deine Aufwendungen.« Sie haßt es, sprechen zu müssen. »Wir haben dir in den letzten Monaten gute Kundschaft zugeführt.« Zwei Minuten. Endlich weiß sie es. Es ist kein intellektuelles Verstehen, sie weiß es durch ihr Leben, Lebensweisheit, sie ist es. Alles ist schlichtweg … nichts. Verglichen mit ihrer eigenen Erfahrung. Nichts. Drei Minuten. Es gibt nichts mehr außerhalb ihrer eigenen Erfahrung, das ihr etwas bedeutet. Nichts ist wichtig außer ihrer eigenen Geistigkeit.
Vier Minuten.
Vier Minuten.
Vier Minuten.
Aurelians leises sorgenvolles Murmeln durchdringt Zeds Selbstbetrachtung und mahnt sie, daß hier etwas nicht stimmt. Vier Minuten? Obi …
Sie ist nicht
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