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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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eine gutaussehende Fassade zur Schönheit macht, ist erloschen. Erloschen im strömenden Regen der Gassen, in Elendsschuppen aus Plastikplanen und Bierdosen, zwischen dem Stahl und Chrom der Industrietürme von schuldigen Company-Brüdern, Gramm für Gramm, Cruzeiro um Cruzeiro. Sie verkauft ihre hübsche Fassade, damit sie für einen Augenblick, eine Minute, eine Stunde, einen Nachmittag wieder schön sein darf. Damit sie im Teleporter stirbt, den ausgewaschenen, matschigen Straßen entflieht, dem Gestank menschlicher Verderbnis und den wasserdichten schwarzen Plastikumhängen und dem Moder und den Krankheiten und dem Regen, der die Namen und die Würde von den Straßen wegspült; um zerfetzt und zersetzt und verstreut bis ans Ende des Universums zu werden und für alles tot zu sein. Und wiedergeboren zu werden, neu, rein, heilig und strahlend und schön. Für einen Nachmittag, eine Stunde, eine Minute, einen Augenblick.
    »Aurelian! Aurelian! Alter humpeliger, schrumpeliger Mann, eine Wohltat für dein brandiges Fleisch, ein Ende der Verwesung! Sieh nur, gutes Zeug, Stoff in Company-Qualität, hörst du mich, Aurelian?«
    Aha, es ist also wieder soweit. Die Erinnerung wirklich, schrecklich. Er kann sich jetzt nicht einmal mehr an ihren Namen erinnern. Irgend etwas Seltsames, wie ein Name, der sich sozusagen verselbständigt hat, überhaupt kein richtiger Name. Irgend etwas an ihr gemahnt ihn an ihn selbst, eine Nostalgie des Himmels. Er ist sicher, daß sie viele Jahre jünger ist, als sie aussieht. Wenn er sich doch nur erinnern könnte … Vielleicht, wenn sich die Dinge zum Besseren wenden.
    Sie zieht sich bereits aus, Schicht um Schicht von Plastik und Papier wird abgeschält. Die Rituale sind für sie beide wichtig.
    »Ich hab dir das Zeug mitgebracht, Aurelian. Guter Stoff, Company-Stoff.« Sie wirft ihm das Plastikfläschchen zu. Seine schönen Hände schnappen mit festem Griff nach seiner Bezahlung, bewegen sich dann zu den Computermodulen. Ein Summen von Energie, das alte Gebäude erbebt wieder einmal, alles für sie, nur für sie. Nur für Zed. Sie wirft das Haar zurück, und für einen kurzen Moment ist sie schön, sie ist Feuer und Licht und Dunkelheit und all jene widersprüchlichen Dinge, die eine Frau sein kann. Sie tritt ins Feld des Materietransmitters und wird verschlungen, und nichts bleibt außer dem Duft, die Erinnerung an Gardenien.
    Muß Gott jedesmal, wenn sich niemand an seinen Namen erinnert, unbedingt sterben?
     
    Originaltitel: ›Gardenias‹
    Copyright © 1988 by Sphere Books
    (erstmals erschienen in ›Zenith I‹, hrsg. von D.S. Garnett)
    mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Agentur Luserke, Friolzheim
    Copyright © 1991 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
    Aus dem Englischen übersetzt von Irene Bonhorst
    Illustriert von Jobst Teltschik

 
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Connie Willis
Notruf
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    C aroline war nicht in ihrem Zimmer. Amy konnte sie irgendwo am Ende des Flurs weinen hören. Ihr Weinen klang lauter, als sei ein anderer, alles durchdringender Laut plötzlich verstummt. Die Maschinen haben gestoppt, dachte Amy. Wir liegen tot im Wasser. Irgend etwas ist passiert … Etwas Entsetzliches.
     
    Sie hatte Caroline aus diesem Haus holen wollen, und Caroline war vor ihr davongelaufen, hatte vor Angst geschluchzt. Vor Amy davongelaufen, ihrer eigenen Mutter. Sie hatte Caroline bei den Frauen gefunden, an deren grauen, wehenden Röcken sie sich klammerte. Sie hatten sie wie sich selbst angezogen. Wann haben sie das gemacht? dachte Amy erschrocken. Ich habe die Dinge zu weit gehen lassen.
    »Hol deine Sachen, Caroline«, hatte sie steif gesagt, damit sie nicht merken würden, wie erschrocken sie war. »Wir gehen nach Hause.«
    »Nein!« hatte Caroline geschrien und sich hinter ihren Röcken versteckt. »Ich habe Angst. Du wirst mir wieder weh tun.«
    »Weh tun?« fragte Amy bestürzt und dann außer sich. »Dir weh tun? Wer hat dir gesagt, daß ich dir weh tun werde?« Sie langte wütend in den schützenden Kreis der Frauen nach Carolines Hand. »Was haben sie ihr erzählt?« fragte sie ungehalten.
    Debra trat vor, anmutig wie ein Geist in dem wehenden grauen Stoff, und lächelte Amy an. »Sie wollte wissen, warum sie nach dem Picknick so krank geworden ist«, hatte sie erwidert.
    Amy hatte ihre Hände fest an ihren Körper drücken müssen, um Debra nicht ins Gesicht zu schlagen. »Was haben Sie ihr erzählt?« hatte sie gefragt, und

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