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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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denkt wie ein Mensch.« Ein Wald kleiner Arme erhebt sich, helle Raubtieraugen glänzen. Sie ruft einen rothaarigen Jungen nach vorn, der eine Zahnlücke hat.
    »Wirst du nicht müde, wenn du den ganzen Tag da stehst?«
    »Nein. Normalerweise werde ich nicht müde.«
    Ein Kind mit einem verkniffenen, verschlagenen Gesicht fragt: »Wie kommt es, daß du so gut Englisch sprichst, obwohl du von einem anderen Planeten kommst?« Es kichert und sieht sich beifallheischend zu seinen Klassenkameraden um.
    Ich grinse und zeige ihnen meine Zähne. Sie weichen etwas zurück, während ich antworte. »Damit ich auf dumme Fragen wie deine antworten kann.« Meine Programmierung erlaubt es mir, auf feindselige oder hinterhältige Fragen auf diese Weise zu antworten, solange ich ehrlich bin. Nacama war kein weltfremder Künstler.
    »Wie lange bist du schon hier?«
    »Das weiß ich nicht, aber wenn du mir das heutige Datum sagst, werde ich dir antworten können.« Sie rufen mir das Datum zu, und ich sage es ihnen. »Vierunddreißig Jahre, acht Monate und elf Tage.«
    »Fühlst du dich hier sicher? Es soll hier ja keine Freiläufer geben.«
    »Ja, ich fühle mich sicher.« Das stimmt auch, aber wenn ich echt wäre, hätte ich vielleicht Angst. Die donnernden Explosionen sind jeden Tag deutlicher durch die dicken Mauern des Museums zu hören.
    Sie gewöhnen sich an mich, und sie stellen noch viele weitere Fragen. Sie fragen mich nach der Heimat. Ob das Wetter war wie hier, ob ich sie vermisse? Nacama war ein großer Künstler; nach einer Weile bemerkt niemand mehr, daß sein Werk nur eine komplizierte Illusion ist. Sogar ich vergesse es.
    Ich verliere mich in meinen Erinnerungen und lasse mich von den Kindern führen. Als ich über die fleischliche Verbindung in der Meute spreche, werden meine Libidokreise ausgelöst. Bei meiner Rasse sind die Sexualorgane bei beiden Geschlechtern innerhalb des Körpers, bis sie stimuliert werden. Die Lehrerin drückt unter schrillem Kichern auf den Knopf.
     
    Es ist Nacht im Museum. Zum Pulsieren des Stroms in meinen Kreisen kommt nun noch das Zittern der Erregung. Sergeant Bush grinst unverbindlich. Es ist mir sehr peinlich.
    »Hmm«, sagt er, »das sieht aus, als brauchtest du eine Freundin. Und ich kann nicht deine Freundin sein, Curly.«
    Er lacht und schweigt. Abgesehen von einigen verstohlenen, bedauernden und nachdenklichen Blicken von Sergeant Bush vergeht die Nacht recht angenehm.
     
    Der Strom belebt mich, und ich sehe Sergeant Bush in Zivilkleidung! Ich bin sehr erstaunt über diesen Anblick. Es ist Tag im Museum, und ich habe Sergeant Bush noch nie bei Tageslicht gesehen, in dem kalten Licht, das durch das Oberlicht über mir hereindringt. Er trägt einen karierten Overall, der meines Wissens vor etwa dreißig Jahren in Mode war. In seinem Ohr steckt ein neues, fast unsichtbares Hörgerät. Eine bemerkenswerte Frau hat sich bei ihm eingehakt. Sie überragt ihn, und sie sieht anders aus als alle Frauen, die ich je gesehen habe.
    »Lucy«, sagt Sergeant Bush förmlich, »das hier ist Curly. Kümmere dich nicht darum, daß er nackt ist.«
    Sie streckt unverkennbar schüchtern eine lange Hand aus. Und ich kann nicht anders, ich nehme sie einen Augenblick sanft und lasse sie wieder fallen.
    Nicht nur ihre Körpergröße ist ungewöhnlich; sie ist mehr als zwei Meter groß und würde mir, wenn wir nebeneinander stünden, fast bis zur Brust reichen. Sie ist eine große Frau, aber nicht dick; das Fleisch ist auf ihren langen Gliedern gut verteilt. Sie ist geformt wie jede andere Frau. Nur die Größe ist übertrieben, und ihr Kopf ist kahl. Sie trägt keinen Panzer, nur einen kurzen Umhang aus einem glänzenden schwarzen Material, und ihre ganze Haut ist mit einem Gittermuster bemalt oder tätowiert. Ihre straffe, glatte Haut sieht damit aus wie rosafarbene Froschhaut. Sie duftet nach einem leichten, einfachen Parfüm. Auf der Schulter trägt sie ein leeres Halfter, das dem Umriß nach eine Schockwaffe aufnehmen kann.
    Sie hat große grüne Augen und eine häßliche, gezackte Narbe auf dem Kiefer. Sie sieht ganz anders aus als die Frauen meines Rudels; in der Heimat würde man sie als Mißgeburt zerreißen, aber ich bin bezaubert. Meine erste private Begegnung.
    »Es ist mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sage ich, und Lucy und Sergeant Bush zucken leicht zusammen. Ich stelle fest, daß es schwer ist, Höflichkeiten mit einer Stimme auszusprechen, bei deren Klang die meisten

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