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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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Dschungel mit seinen Bäumen, Ranken, Blumen, Papageien und Kolibris dauerte acht Minuten. Sie ging über ein buschbestandenes Stück Savanne am kleinen ›Ozean‹ und durch das Gitternetz der eingefriedeten Gartenbeete und der bestellten Felder zum Büro. Strukturell war die Biosphäre VII fast identisch mit jener, in der sie auf der Erde gelebt hatte, nur etwas größer und erheblich besser konstruiert (und so mußte es auch sein). Die Wohnstätten in der Wüste Arizonas waren wunderschön gewesen; in den Einöden des Mars aber raubten sie einem den Atem und ließen Tränen in die Augen quellen. Das marsianische Tageslicht, das durch automatisch nachgeregelte Deckplatten genau bemessen eingelassen wurde, glitzerte auf der Wasserfläche, die rhythmisch unter den Impulsen einer Wellenmaschine zitterte. Es war alles so neu, so aufregend und mitreißend, daß Pats Mißmut sich auflöste, noch bevor sie hundert Schritte gegangen war. Sie betrat lächelnd das Büro und strich Krümel von ihrem Pullover. Sie brachte Gordon ein Stück Kuchen mit, ein leicht verbranntes Opfer, das in eine Papierserviette gewickelt war.
    Sie fand ihren Chef über einen Datenschirm gebeugt. Er lehnte das Geschenk ab. »Verdammt, Patsy, wenn ich sofort sage, dann meine ich auch sofort.«
    Pat zog die Augenbrauen hoch. Gordon war bei seinen Mitarbeitern nicht beliebt, aber er war ein fähiger Leiter mit einem kühlen Kopf. Sie hatte ihn noch nie so aufgeregt gesehen, und sie erkannte, daß die Situation etwas Takt erforderte. Der Mann war fünfzehn Jahre jünger als sie und außerdem viel weniger berühmt. Selbst für einen gelasseneren und selbstsichereren Menschen als Gordon Anderson wäre es schwierig gewesen, Captain zu sein und Pat Livingston als Unteroffizier zu führen. »Nun, jetzt bin ich da«, sagte sie freundlich. »Was liegt an?«
    »Das hier, mein Gott.« Er tippte mit dem Finger auf den Bildschirm. »Sieh dir das an und sag mir, was du davon hältst.«
    Pat sah zum Bildschirm. Sie stand auf der anderen Seite des Büros und konnte nicht viel erkennen. Sie trat hinter den Schreibtisch, um sich die Sache aus der Nähe zu besehen. Gordon machte ihr Platz. Schließlich saß sie davor, und ihre Nase berührte fast den Schirm.
    Das Bild war verschwommen und unscharf, ein Gemengsel aus Schwarz, Weiß und Grau. Einige Gestalten vor einem leeren Hintergrund. Selbst bei der schlechten Auflösung des Bildes konnte man erkennen, daß es keine menschlichen Gestalten waren. Sie sahen aus wie etwas anderes: Tiere vielleicht – eine Zirkusnummer mit Terriern, die dunkle Hosen oder Röcke und weiße Hemden trugen. Terrier oder Bären; es war nicht möglich, ihre Größe zu schätzen. Auf jeden Fall wirkten sie fremdartig und unbeholfen. Die Gestalten trugen kleine schwarze Hüte mit schwarzen Lappen, die Pat an irgend etwas erinnerten. Aber die schlangenähnlichen, geringelten Dinger an den Seiten ihrer Gesichter – falls es Gesichter waren – sahen überhaupt nicht irdisch aus.
    »Das war eine Direktübertragung«, knurrte er zur Erklärung. »Ich habe sie vor einer Stunde aufgezeichnet.«
    »Direktübertragung? Woher denn?«
    »Aus dem Weltraum, soweit ich es sagen kann. Es war ein Tonfilm.«
    Richtig, aus den Lautsprechern drangen leise Geräusche. Gordon tippte auf einige Tasten, und plötzlich richteten sich Pats Nackenhaare auf, als die Wesen auf dem Bildschirm einen spitzen, heulenden Gesang anstimmten.
    »Allmächtiger.«
    »Yeah«, sagte Gordon.
    »Und die Sendung war an uns gerichtet?«
    »Wer weiß? Das ist die Frequenz, über die wir mit Houston sprechen.«
    »Meine Güte, was kann das sein? Russen, Chinesen, Japaner, Schweden?«
    »Patsy, diese Dinger haben Tentakel!« rief ihr Chef, der nun endgültig die Geduld verlor. »Sie könnten direkt nebenan sein, und wir sitzen in der Klemme, falls sie sich entschließen, etwas gegen uns zu unternehmen, weil wir absolut nichts gegen sie unternehmen können!«
    Pat richtete sich erstaunt auf. »Nimm dich zusammen, Kumpel! Was glaubst du denn, wer die sind? Wütende Marsianer, die ›Ami go home‹ brüllen?«
    Gordon knirschte mit den Zähnen. Es klang schrecklich. Er sah sie wild und haßerfüllt an – selbst in dieser Extremsituation hatte er etwas gegen das Wort ›Kumpel‹. »Die haben Tentakel, Patsy. Sieh doch hin.« Er verdrehte die Augen. Er war kalkweiß. »Und wo du schon dabei bist, benutze auch deine Ohren. Ich hab dieses Band in der letzten Stunde immer wieder abgespielt und

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