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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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schützen – damit hatte Gordon recht.
    Pat dachte daran, daß ein Erstkontakt, der mit der Mausketier-Hymne begann, ohne weiteres mit einem Atomkrieg enden konnte, denn letzterer war kaum weniger verrückt als die Art der Kontaktaufnahme.
    Die Gruppe der nachgemachten Mausketiere heulte weiter. Ein Geschöpf in der ersten Reihe sang ein Solo und versicherte die Zuhörer einer Freundschaft, die Zeit und Raum überdauern werde. Dann wurde wieder vom ganzen Chor mit gespenstischem Ernst der Name der Mickymaus buchstabiert.
    Pat sagte plötzlich: »Fällt dir nicht auf, daß ein Kinderlied über Familie und Freundschaft eine eigenartige Kriegserklärung wäre? Laß uns die Sache mal ruhig angehen und hören, ob sie den Text verändert haben.«
    Gordon runzelte die Stirn, aber er war vernünftig genug, sie nicht zu stören. »Ich kenne die Worte nicht«, klagte einer der Wachleute. Pat informierte ihn, und sie lauschten gespannt, während die Aufnahme ein weiteres Mal abgespielt wurde.
    »Da«, sagte sie. »Fahr ein Stück zurück. Jetzt noch mal.« Und in der Tat, die Worte klangen etwas anders. Die beiden kleinsten Mausketiere (Cubby und Karen) hatten mit ihren süßen Kinderstimmen die vorletzte Zeile der Hymne immer unisono gesungen. Die Worte besagten, daß es Zeit sei, ihren Gefährten Lebewohl zu sagen. Diesen Teil des Liedes hatten die Eindringlinge verändert. »Kannst du es langsamer abspielen?« Er tat es, und jetzt hörten es auch die anderen.
    Sie spielten die Zeile ein Dutzendmal ab. »Eindeutig ›Hallo‹. Eindeutig eine Begrüßung. Viel eher ein Willkommen als eine Kriegserklärung, meinst du nicht auch?«
    »Woher sollen wir wissen, was ein Alien mit ›Hallo‹ meint?« maulte Gordon. Pat und die Wachleute hatten sich bereits beruhigt und sich an die Vorstellung gewöhnt, daß da draußen tatsächlich Aliens waren, die mit ihnen Verbindung aufnehmen wollten. Gordon leider nicht.
    »Wie wollen wir wissen, was sie damit ausdrücken wollen, daß sie als Mausketiere auftreten?«
    Pat gab ihm eine giftige Antwort. »Irgend etwas meinen sie bestimmt, Gordon. Es geht mich ja nichts an, aber solltest du nicht Houston verständigen? Vielleicht sogar die Vereinten Nationen. Allerdings würden die nur eine Sondersitzung einberufen und diskutieren, und ich glaube nicht …«
    »Mein Gott, das würde Tage dauern! Was soll ich in der Zwischenzeit tun? Es muß die NASA sein, ob uns das gefällt oder nicht.«
    Es gefiel keinem von ihnen. Gordon sah so grau aus wie die Flecken auf dem Bildschirm, die exakt in diesem Augenblick völlig verschwammen und sich in Rauschen auflösten. Eine neue Sendung kam herein.
    »Da haben wir’s wieder«, sagte einer der Wachleute mit einer gewissen nervösen Erleichterung, und als Gordon keine Anstalten machte, drückte er auf den Schalter, um das Band abzuschalten. Sofort wurde das Bild klar, oder die Auflösung wurde etwas besser. Es erschien die Nahaufnahme eines einzelnen, kostümierten, bärenähnlichen und eindeutig und unzweifelhaft außerirdischen Wesens. Der Kopf mit den Mickymausohren und das Mausketier-Hemd boten einen, um es milde auszudrücken, beunruhigenden Anblick. Es konnte keinen Zweifel mehr geben: Es war ein Erstkontakt, ob man dazu bereit war oder nicht, ob es surreal schien oder nicht. Die Aliens waren da.
    Tentakel wurden ausgerollt, Worte erklangen. »Hallo, Mausketiere. Wir wußten nicht, daß ihre eure Planetenoberfläche verlassen habt. Das ist Spitze!« Die Stimme, unmoduliert und quiekend, schien diese Worte anscheinend unter großen Schwierigkeiten zu bilden; doch nach den schlecht artikulierten Worten der Hymne war das makellose Englisch der fünfziger Jahre einfach verblüffend. Das Wesen näherte sich der Kamera und wurde größer. Sie sahen, daß sein Hemd einen Namen trug: JIMMIE in großen schwarzen Buchstaben mit schwarzen Schnörkeln.
    »Mein Gott«, stöhnte Gordon. Niemand sagte etwas.
    »Wir sind vierzehn, und wir werden in drei Planetentagen in eurer Nähe landen. Es könnte gefährlich sein, wenn wir uns persönlich treffen – möglicherweise infizieren wir uns gegenseitig –, aber wir brennen darauf, mit euch zu sprechen. Wir können euch jetzt nicht empfangen, während wir im Transit sind, aber wir können sofort nach der Landung die Verbindung aufnehmen. Wir haben viele Fragen.«
    Die Tentakel schienen die Geräusche und die Worte zu erzeugen; zumindest blieben sie nur dann still, wenn das Wesen nicht sprach. Nun, da die Rede beendet

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